bin neu...und habe ein blödes problem...

Hier kann man sich vorstellen oder eigene Erlebnisse berichten
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*eni**
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bin neu...und habe ein blödes problem...

#1

Beitrag von *eni** »

hallo zusammen :)
also ich bin 17 und komme aus der Pfalz. Ich bin auf beiden Ohren Hochgradig Schwerhörig und trage seit meinem viertem Lebensjahr Hörgeräte. Meine Hörbehinderung ist angeboren bzw. ich habe sie von meinem Papa geerbt. Mein großer Bruder ist auch hochgradig Schwerhörig und Hörgeräteträger. Meine große Schwester hat es glücklicherweise nicht erwischt. Naja mein Papa trägt keine Hörgeräte, weil er von Beruf Musiker ist. Damit er überhaupt studieren und dann eine Festanstellung bekommen konnte, musste er beim Amtsarzt nachweisen, dass er "Normalhörend" ist. Der Amtsarzt hat natürlich gemerkt, dass mein Papa eigentlich nicht gut hört, aber weil der liebe Amtsarzt kurz vor der Pensionierung stand, hat er meinen Papa durchkommen lassen. Jetzt ist er schon seit über 20 Jahren erfolgreich im Dienst und kann seine Schwerhörigkeit mittlerweile als "Berufskrankheit" deklarieren.
Ich selber habe ganz normal einen Regelkindergarten, eine normale Grundschule besucht und gehe auch jetzt mittlerweile in die 11.Klasse eines altsprachlichen Gymnasiums. Natürlich unter regelmäßiger Aufsicht meiner Förderlehrer vom Pfalzinstitut für Hörgeschädigte und Gehörlose.
Da mein Papa ja Musiker ist, hat die Musik schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt und so habe ich Klavier und Fagott gelernt. Ich spiele in vielen Orchestern Aushilfe, um mein Taschengeld aufzubessern und fast mein ganzer Freundeskreis ist in der Musik zu Hause. Meine Schwester studiert inzwischen sogar Posaune. Das macht meinen Papa ganz stolz, weil mein Bruder und ich sowas ja nicht dürfen, obwohl es genau das Richtige für mich wäre. Und da liegt eben mein Problem: Wie kann ich Musik studieren, obwohl ich Hörbehindert bin???
Viele Dirigenten haben mir gesagt, dass ein bereits hörgeschädigter junger Musiker sehr ungern eingestellt wird, da er jederzeit ertauben könnte und man dieses Risiko auf keinen Fall eingehen möchte.
Aber es muss doch trotzdem irgendwie gehen, oder?
Was meint ihr dazu?
cooper
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#2

Beitrag von cooper »

Das Risiko, zu ertauben, besteht tatsächlich -- und dann würdest du den Musiker-Beruf zwangsläufig aufgeben müssen. Zudem wirst du keine Versicherung finden, die dir für diesen Fall eine Berufsunfähigkeitsversicherung gibt. Sämtliche Hörprobleme werden kategorisch ausgeschlossen, da kannst du fragen, wen du willst.

Es ist also ein Risiko. Ob du es dennoch eingehen willst, bleibt dir überlassen. Du wirst aber immer mit Vorurteilen zu kämpfen haben und es deshalb deutlich schwerer haben, engagiert zu werden, als ein normalhörender Musiker.

Du solltest dir zumindest einen Plan B zurechtlegen. Also genau planen, was du arbeiten kannst, wenn der Fall eintritt, und ggf. deinen weiteren Werdegang schon mal in diese Richtung planen -- z.B. über eine Lehre vor dem Studium.

Viele Grüße, Mirko
Sinequanon
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#3

Beitrag von Sinequanon »

Das ist doch kein "blödes" Problem, hallo Eni !!

Auch wir Schwerhörigen haben das Recht, das zu tun, was uns gefällt, und was uns am Herzen liegt. man muss ein bisschen mehr Energie hineinstecken und ein starkes Durchsetzungsvermögen entwickeln. Manche Leute können schon gewaltig überheblich sein, obwohl NIEMAND dir eigentlich vorschreiben kann, zu was du zu leisten in der Lage bist.

Ich will dir von mir erzählen:
ich bin hochgradig hochtonschwerhörig und habe die wahnsinnige "Frechheit" besessen, Geige zu studieren, obwohl mir alle Leute abgeraten haben. Und ich ich habe es gut gemacht! Nun bin ich schon lange (!) am Unterrichten, habe sehr viele Jugend-Musiziert- Schüler.
Einfach war es nicht. Meine Elterm haben es nicht erlaubt und haben es nicht gefördert, weil alle sagten, das kann ich nicht. ich habe mit 5 Jahren ein Akkordeon auf den Schoß gesetzt bekommen. Ich wollte aber immer Geige spielen. Erst mit 17, so alt wie du jetzt bist, habe ich mit Geige lernen angefangen. Ich war aber musikalisch so gut vorgebildet durch das Akkordeon, dass ich Geige schnell aufgeholt habe. Früher habe ich ohne Hörgeräte gespielt, heut spiele ich mit, allerdings sind die Hörgeräte nicht einfach einzustellen, damit Musik auch gut im Kopf klingt mit dem HG. ich habe mich oft unsicher gefühlt als Schwerhörige, aber mittlerweile bin ich ganz cool. Soll doch erst einer nachmachen, was ich geschafft habe.
Natürlich gibt es Grenzen für uns Schwerhörige. Ich kann niemals ein Brahms Konzert solo spielen, wegen der hohen Töne. Aber darauf kommt es nicht an. In Orchestern spiele ich zur Aushilfe zweite Geige oder Bratsche. Da wir Geiger immer auch auf Bratsche ausweichen können, gibt es viele Möglichkeiten.
Ich kann dir nur raten: sei fleißig und übe Fagott!!! Das Fagott wird wirklich gebraucht, das machen nämlich nicht viele. Suche dir einen toleranten Lehrer, der dich immer wieder unterstützt bis zur Hochschulaufnahmeprüfung.
Du hast doch auch eine tolle Familie, alle sind interessiert an dem was ihr Kids macht. Und was du noch brauchst, ist ein Hörgeräteakustiker, der dein Musikproblem auch versteht und dir dein HG richtig für diesen Zweck anpasst mit einem zweiten Programm.

Welches Instrument spielt denn dein Papa???

schreib mal wieder, es würde mich interesieren wie es mit dir weitergeht!
Alles Gute!!
*eni**
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#4

Beitrag von *eni** »

ja dann melde ich mich mal wieder :)
also erstmal muss ich sagen, dass ichs cool finde, dass es noch andere Schwerhörige Musiker gibt, die ihr ding durchgezogen haben.
Mein Papa spielt Tuba und hat neben seinem Job in der Philharmonie noch eine Dozentenstelle und seine Studenten und Jungstudenten haben später fast alle eine Stelle bekommen. D.h. so einschränkend kann sich seine Hörbehinderung auf seinen Beruf gar nicht auswirken.
Ich spiele schon immer mit Hörgeräten und empfinde es eher als komisch, wenn ich ohne spiele.
Ich habe auch eine ganz tolle Akkustikerin, die genau weiß, wie sie meine Hörgeräte einzustellen hat, damit ich den "richtigen Sound höre".
Mein Fagottlehrer ist zwar mit meiner Leistung und so sehr zufrieden, aber er ist wie mein Papa der Meinung, dass es am Ende an meiner Hörbehinderung scheitern wird.
Das einzige Problem sind halt die Vorurteile, wie Mirko schon geschrieben hat :(
@mirko: das ich bei einer ertaubung nicht versichert bin haben mir die Musiker/Dirigenten etc. auch schon gesagt :(
Als Plan B habe ich vor Gymnasial-Lehrerin für Deutsch, Sozialkunde und Darstellendes Spiel zu werden oder als Journalistin im Bereich Musik&Theater zu arbeiten.
Sinequanon
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#5

Beitrag von Sinequanon »

ob du mal taub wirst, das weiß doch kein Mensch vorher.
Lass dich da nicht verunsichern. Auch dass dein Fagott- Lehrer da skeptisch sich äußert... sowas musst du lernen, selbstbewußt zu überhören.
letztlich muss man nur taub werden für all das blöde Gequatsche und ich spreche aus Erfahrung. Aber natürlich ist das nicht einfach! Als junger Mensch ist man unsicher und man will gut erzogen immer auf die Erwachsenen hören. Aber die wissen wirklich nicht alles!!!
Es gibt ja noch mehr Fagottlehrer als den, den du schon hast, also halt Ausschau. Hier brauchst du eventuell noch einen zweiten. Dafür fahren andere junge Leute in deinem Alter hunderte km, um zum Unterricht zu kommen.

Für den Plan B: es ist ziemlich egal welche Fächerkombination du wählst, im Lehrerberuf am Gymi wäre man als Schwerhöriger immer irgendwie "behindert". Gerade bei Deutsch und Sozialkunde geht es um Kommunikaton. Das kann heftig sein für Sh.!!! Dein Herz schlägt für Musik. Bleibe dabei!! Musik als Lehramt wäre als Alternative zum Meisterklassenstudium in Betracht zu ziehen . Ich weiß nicht wie es in R-Pf ist, aber in Bayern ist es Doppelfach, und mit dem Abschluss kannst du schon mal standfest in die Zukunft blicken. Außerdem hast du ja das Klavier auch noch!!
Was sagt denn eigentlich dein Papa??
lg!
*eni**
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#6

Beitrag von *eni** »

Musik als Lehramtsberuf geht ja eben nicht :(
Bei den Aufnahmeprüfungen muss man intervalle in allen tonlagen erkennen können und in der höhe muss ich halt passen :(
Klavier ist eher das "Nebeninstrument" für mich. Für alle Musikstudiengänge sollte bzw. muss man das Klavierspiel neben seinem Hauptinstrument auf jedenfall auf einem bestimmtem Niveau beherrschen.
Mein Papa sagt, dass ichs versuchen kann und er mich auch unterstützen würde, aber ich damit rechnen muss, dass ich wegen der HB viele Steine in den Weg gelegt bekommen werde und es evtl nicht klappt.
Natürlich gibt es auch noch andere Fagottlehrer, aber wenn ich ihnen davon erzählt habe, dass ich es mal später studieren will, haben sie abgewunken und gesagt, dass ich es wegen meinen HG vergessen kann.
Ich werde es auf jedenfall nach meinem Abitur versuchen, aber paralell zu den Aufnahmeprüfungen werde ich mich dann wohl noch für einen meiner B-Pläne einschreiben müssen, damit ich zur Not reibungslos umsatteln kann.
cooper
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#7

Beitrag von cooper »

Hallo Svenja,

als Plan B taugt der Lehrer-Beruf nichts, schon gar nicht Musiklehrer -- denn was sollst du noch unterrichten, wenn du tatsächlich einmal ertauben solltest? Und nur darum geht es ja, im Falle einer Ertaubung (die ja nicht unbedingt eintreten muss) noch einen Ausweichberuf zu haben.

Noch dazu erfordert der Lehrberuf ein Studium, und du willst sicher nicht erst 4-5 Jahre Lehramt studieren für einen Plan B, um anschließend Musik zu studieren. Insofern wäre ein Ausbildungsberuf das Mittel der Wahl -- und da würde sich Journalismus durchaus anbieten.

Mit dem Abitur in der Tasche kannst du ein Volontariat von 3 auf 2 Jahre verkürzen lassen, sodass du letztlich nur zwei Jahre in den Plan B investieren müsstest. Deine Fachrichtung, also Musik und Theater, ist dabei relativ egal, denn man spezialisiert sich später im Alltag eh auf die Gebiete, die in der jeweiligen Redaktion benötigt sind. Als Journalistin wirst du so universell ausgebildet, dass du innerhalb kurzer Zeit in jedem beliebigen Ressort arbeiten kannst.

Das Ganze hätte noch einen Vorteil, wenn du anschließend Musik studierst: Du kannst nebenbei etwas Geld verdienen, indem du weiter einzelne Artikel oder Kolumnen schreibst. Das hat auch den Vorteil, dass du in der Materie drin bleibst und einem etwaigen künftigen Arbeitgeber eine ellenlange Veröffentlichungsliste vorlegen kannst.

Ansonsten gilt: Verfolge dein Ziel, Musikerin zu werden, und lass es dir nicht madig machen! Du wirst immer nur hören, dies geht nicht, und das geht nicht. Alles Unfug. Ich z.B. helfe, obwohl an Taubheit grenzend schwerhörig, in einer Rettungs-Leitstelle aus -- bin also der, den man am Rohr hat, wenn man die 112 wählt, oder wenn irgend ein Feuerwehrauto oder Rettungswagen funkt. "Das geht ja gar nicht". Klar geht es. Sogar ziemlich gut, und man hat inzwischen schon mehrfach versucht, mich für den Job zu angeln. Allerdings ist meine Tätigkeit als Journalist deutlich lukrativer, mach mit noch mehr Spaß und ich könnte sie auch bei vollständiger Ertaubung weiterführen, weshalb ich den Leitstellen-Job weiterhin nur freiwillig und als Aushilfe bzw. im Katastropenfall machen werde.

Viele Grüße, Mirko
Corina
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Registriert: 7. Dez 2010, 20:44
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Re: bin neu...und habe ein blödes problem...

#8

Beitrag von Corina »

Hallo,

1. Wer sagt denn, dass du ertaubst??? Ich kenne nicht viele Hörbehinderte, die wirklich ertaubt sind!

2. Lebe deinen Traum!! Versuch es wenigstens!!! Du wirst es sonst dein Leben lang bereuen!!

Vor ein paar Jahren durfen Hörbehinderte nicht Arzt werden - jetzt gibt es viele hörbehinderte Ärzte, auch in leitenden Positionen. Oder Lehrer!! War früher auch undenkbar!!
Herzliche Grüße, Corina (von Geburt an hochtonschwerhörig)
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