Liebe Hadhami,
ich kann Deine Position sehr gut verstehen, weil Du selbst in der Situation bist, dass Taha gehörlos und entwicklungsverzögert war/ist und Ihr ihn wirklich gefördert habt.
Wenn Du meine Postings kennst, wirst Du sicherlich auch bemerkt haben, dass gerade ICH mich ständig dagegen WEHRE, wenn jemand behauptet:
CI rein, AV-Therapie, Kind hört und versteht. So eben NICHT bei allen Kindern. Dass generelle Aussagen eben nicht auf alle Kinder zutreffen, habe ich immer und immer wieder betont.
Es gibt eben keine allgemeingültigen Aussagen, die auf ALLE Kinder zutreffen... - daher habe ich mich ein bisschen über Dein Posting gewundert. Ich weiß, dass für Taha das
CI absolut DER Weg ist, dass er ohne CI es sehr schwer gehabt hätte etc. - und so freue ich mich total, dass Taha sich so richtig super mit CI entwickeln konnte.
Bitte verzeih mir noch eine Anmerkung: Keiner weiß, ob Taha nicht DOCH nach zwei oder zweieinhalb Jahren mit einer sehr guten Förderung (zum Beispiel nach der taktilen Methode nach Guberina, mit der ich das Sprechen ohne Hören gelernt habe) auch ohne
CI zum Sprechen gekommen wäre...
...ich kenne Kinder, die ohne
CI aufgewachsen sind, heute erwachsen sind und bei denen man niemals vermutet hätte, dass sie zum Sprechen jemals kommen würden, da sie dermaßen zurückgeblieben waren in der Entwicklung. Ich bin mit Schulkameraden auf dem Gymnasium gewesen, da hat man gesagt (als sie noch im Kindergartenalter waren), dass sie vermutlich geistig udn hörbehindert seien - dabei hatten sie eine Hochbegabung... - ich habe Fotos von Kindern, die bei mir in der Klasse waren, gesehen, als sie noch Kinder waren, da sahen sie echt "behindert" aus (der Ausdruck ist schrecklich), aber sie haben dann das Abitur gemacht, haben zum Teil promoviert etc....
Nur: Auch wenn Taha eventuell (ich betone: eventuell!) auch ohne
CI mit optimaler Frühförderung zum Sprechen und in die Sprache gekommen wäre, ein CI ist einfach DIE Alternative: Es wird/wurde ihm viel leichter gemacht, in die Sprache reinzuwachsen, er ist regelrecht aufgeblüht (soweit ich es aus Postings mitbekam - ich würde mich sehr freuen, ihn mal wieder zu sehen

) etc. Ohne
CI hätte man Taha nur mit dem Sprechenlernen "gequält". (Übrigens war mein eigenes Sprechenlernen auch kein "Vannilleweg" - nein, im Gegenteil... - da sind auch viele Tränen geflossen...)
Ich betone: EVENTUELL. - Umgekehrt kenne ich eben auch Kinder (die bei mir in der Klasse waren (= die ich als Lehrerin selbst unterrichtet habe / unterrichte) z.B., die ganz tolle Eltern haben, die alles für sie getan haben und die jede nur erdenkbare Frühförderung in Anspruch nahmen, die mit ihnen daheim viel gearbeitet haben etc.) und die eben DOCH nicht in die Lautsprache reingewachsen sind, weil sich die Diagnose: "orale Dysphasie" bei ihnen stellte. Bei diesen Kindern hätte kein
CI der Welt es geschafft, sie zum altersgemäßen Hören und Sprechen zu bringen, da die entsprechenden neurologischen Voraussetzungen schlicht und einfach fehlen.
Genau deshalb weigere ich mich - und davon kriegt keiner mich weg - irgendwelchen allgemeingültigen Aussagen zuzustimmen (siehe oben). Jedes Kind ist individuell und einzigartig. Und doch gibt es Gesetzmäßigkeiten, weshalb ein Kind eben mit und ohne
CI Sprechen lernen kann, wenn es nicht z.B. eine orale Dysphasie oder andere Störungen hat, bei denen es einfach nicht geht und bei denen daher die Gebärdensprache wichtig ist.
Darum könnte ich es für mich auch nicht verantworten, ein von Geburt an gehörloses Kind (wäre es mein Kind), nicht mit
CI zu versorgen - udn darum wäre es KEINE ideologische Entscheidung, mein Kind implantieren zu lassen. Es geht einfach um Gesetzmäßigkeiten in neurologischer Hinsicht, die auszunützen sind, die bei jedem Kind da sind.
Natürlich war ich ein gehörloses Kind ohne jede Zusatzbehinderung oder -teilleistungsstörung. Zudem habe ich wunderbare Eltern, die sich total für mich eingesetzt haben etc. - es hat also alles gestimmt.
Noch was: Natürlich können Babies, die im Mutterleib noch gehört haben, das Hören vermissen. Das glaube ich sofort, dass das Hören bei ihnen im Unterbewusstsein vorhanden sein könnte. solche Babies meine ich NICHT, auch wenn ich dies niht explizit in meinem Posting herausstellte. Ich habe z.B. nie was gehört, auch nicth im Mutterleib...
Alles Gute für Euch und Taha (bin gespannt, wie es bei ihm mit dem 2.
CI wird!),
herzliche Grüße
Maike
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[Editiert von Maike am: Samstag, März 10, 2007 @ 22:32][/size]
von Geburt an gehörlos, lautsprachlich aufgewachsen (kann aber auch DGS), 2 CI's seit Dez 2000 und Juli 2003