Umgang mit anderen Kindern

Hier kann man sich vorstellen oder eigene Erlebnisse berichten
Antworten
Ulli
Beiträge: 46
Registriert: 10. Jul 2002, 12:33
23
Wohnort: Münster

Umgang mit anderen Kindern

#1

Beitrag von Ulli »

Mein Sohn Tom wird im nächsten Monat drei Jahre und trägt seit 10 Monaten HG`s. Nach einer langen Odyssee habe ich endlich die richtigen Ärzte gefunden, die schließlich eine mittel- bis hochgradige SH diagnostiziert haben. Die HG`s hat er von Anfang an akzeptiert und es hat sich eine deutliche Verbesserung in seinem Verhalten und mittlerweile auch in seiner Kommunikation gezeigt. Er spricht zwar immer noch nur einzelne Wörter und die auch noch undeutlich, aber es ist ein stetiger Fortschritt erkennbar und sein Wortschatz erweitert sich fast täglich.
Da Tom bisher den Kleinkindbonus hatte und auch einen hinreißenden Charme versprühen kann, haben die anderen Kinder immer wieder Rücksicht auf ihn genommen und nachgegeben, wenn es um Aufteilung der Spielsachen ging oder ähnlichem. Mittlerweile hat Tom allerdings ein Alter erreicht, bei dem andere Kinder nicht mehr so viel Rücksicht nehmen und ab und an gnadenlos sein können. Mir fällt es besonders auf, wenn alle Nachbarskinder auf der Straße spielen und Tom mitspielen möchte. Er wird häufig ausgegrenzt und übergangen. Es liegt sicherlich auch am Alter der anderen Kinder, da die meisten 2-3 Jahre älter sind als er und sie auch nicht immer Lust haben, mit dem "Kleinen" zu spielen, was ich auch voll und ganz nachvollziehen kann. Was mir nur als Mutter so weh tut sind die Momente, wenn Tom immer wieder versucht sich zu integrieren, sei es, dass er mit den anderen Fußball spielen möchte, oder einfach mitlacht, wenn die anderen lachen, auch wenn er überhaupt nicht weiß, worum es geht oder mitrennt, wenn die anderen rennen, auch wenn er nicht weiß, wohin sie rennen und warum sie rennen. Er wird dann meist geduldet, mehr aber auch nicht. Es tut mir dann oft unendlich leid für ihn, dass er ständig eine Randfigur im Geschehen ist. Und selbst gutes Zureden meinerseits bei den anderen Kindern und Müttern bringt nichts. Für die Kinder scheint es "uncool" zu sein, Rücksicht zu nehmen, vor allem, wenn sie im Rudel auftauchen. Tom scheint es mittlerweile auch gemerkt zu haben, da er sich in letzter Zeit sehr stark von den anderen Kindern distanziert und lieber drinnen spielt, als draußen mit den Kindern.
Habt ihr auch schon diesbezüglich Erfahrungen gemacht und wenn ja, wie geht ihr damit um?
Lieben Gruß,
Ulli :moo:
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.
rhae
Site Admin
Beiträge: 1745
Registriert: 8. Jul 2002, 21:52
23
Wohnort: Bruchsal
Kontaktdaten:

Re: Umgang mit anderen Kindern

#2

Beitrag von rhae »

> Tom scheint es mittlerweile auch gemerkt zu haben, da er sich in letzter Zeit sehr stark von den anderen Kindern distanziert und lieber drinnen spielt, als draußen mit den Kindern.
Habt ihr auch schon diesbezüglich Erfahrungen gemacht und wenn ja, wie geht ihr damit um?

Mit ausgiebigen Erfahrungen kann ich nicht dienen, denn Marlene ist erst knapp 2 1/2. Mit ihr und ihrem 2 Jahre älteren Bruder gehe ich recht häufig auf einen Spielplatz und manchmal ergibt es sich auch, dass sie mit anderen Kindern spielen. Fast alle Kinder fragen was Marlene denn da an den Ohren hängen hat und ich erkläre ihnen dann, dass das Hörgeräte sind, weil Marlene schlecht hört. Das Ganze in einer ruhigen Art, ohne Mitleid (oh die Arme), Angst (Vorsicht teure Geräte) zu erregen oder zu ermahnen (spielt gefälligst mit ihr). Das hat bis jetzt ganz gut funktioniert.

Zudem gehen wir jede Woche zum Kinderturnen und meine Frau nimmt sie oft mit in ihren Fittnessclub mit Kinderbetreuung. Alles damit Marlene unter Kinder kommt und lernt sich (hoffentlich) zu behaupten.

Viele Grüße Ralph :fred:
Birgit
Beiträge: 785
Registriert: 17. Jul 2002, 19:01
23
Wohnort: Baden-Württemberg

Re: Umgang mit anderen Kindern

#3

Beitrag von Birgit »

Hallo Ulli,
das was du im Augenblick von Tom erzählst, hört sich nach völlig normalem altersgemäßem Verhalten von allen beteiligten Kindern (inklusive Tom) an. Er ist 2 Jahre jünger und kann einfach noch nicht bei allem mitspielen. Außerdem ist er mit Sicherheit ebenfalls völlig unabhängig von seiner Hörbehinderung auch noch nicht in der Lage, sich wirklich zu "integrieren".
Du kanst das auch in kindergärten mit den "neuen" 3-Jährigen sehen. Die brauchen auch im kiga zwischen 6 und 12 Monate bis sie wirklich mitspielen und sich nicht nur allein oder höchstens zu 2. beschäftigen. Also erst mal "ENTWARNUNG" weh tuts trotzdem. (Ich hab 3 Töchter und vor allem die Große und die Kleine, die beide nichtbehindert sind waren genau so. Claudia, die mittlere war im Sonderschulkindergarten und ab dem 1. Tag ein "Rudelkind".....und die Kinder dort nahmen sicher auch nicht Rücksicht. Es waren vorwiegend geistig behinderte/bzw. lernbehinderte Kinder und sie war entwicklungsverzögert, fast blind, eher hochgradig schwerhörig (ca.90dB Hörverlust im Sprachbereich))
tschüss Birgit
Birgit +
Christiane 5/86
Claudia 10/92, an Taubheit grenzend,fast blind und....
Cornelia 06/97
Ulli
Beiträge: 46
Registriert: 10. Jul 2002, 12:33
23
Wohnort: Münster

Re: Umgang mit anderen Kindern

#4

Beitrag von Ulli »

Hallo Birgit!
Du hast sicherlich Recht, dass das Verhalten von Tom auch altersgemäß ist. Mir fällt es nur so extrem auf, weil Tom nicht die Möglichkeiten hat zu äußern, was er möchte. Auch wenn er irgendwo mitspielen möchte, steht er daneben und macht entweder gar nichts oder ärgert die spielenden Kinder, damit er Aufmerksamkeit bekommt. Manchmal greife ich ein, aber ich möchte auch nicht immer neben ihm stehen und ihm helfen, weil ich auch der Ansicht bin, dass er sich alleine durchbeißen soll. Ich habe ihn eben immer im Auge, aber halte mich doch eher im Hintergrund auf und greife nur ein, wenn es notwendig wird.
Bei seiner älteren Schwester ist mir dieses "isoliert" sein nie aufgefallen. Sie war und ist ein Rudeltier und hat sich auch immer in Gruppen behaupten können. In der Kita, in der Tom ist (er ist dort seit 2 Jahren) ist er voll integriert und wird von den anderen Kindern geliebt. Dort hat er keine Probleme mit den anderen Kindern zu spielen, obwohl er sich auch dort zunehmend abseits des Geschehens aufhält. Ab August haben wir eine Integrationskraft eingestellt, so dass ich guter Dinge bin, dass er dort nicht zu sehr ins "abseits" gerät.
Lieben Gruß,
Ulli :rolleyes:
Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.
Gudrun
Beiträge: 805
Registriert: 9. Jul 2002, 23:22
23

Re: Umgang mit anderen Kindern

#5

Beitrag von Gudrun »

Hallo Ulli,

ich bin seit Geburt gehörlos, trage aber Hörgeräte, von denen ich so profitiere, dass andere mich als schwerhörig betrachten.

Auch ich war als Kleinkind eher eine Einzelgängerin. Ob ich das freiwillig war oder nicht und wie es für mich war, weiß ich leider nicht mehr.

Ich habe mehr mit einzelnen Kindern gespielt und nicht in der Gruppe. Außerdem hat meine Mutter Geburtstagsfeiern für mich organisiert, so dass ich den Zugang zu den Kindern behielt. Es gab praktischerweise im direkt gegenüber liegendes Haus eine Nachbarstochter, mit der ich nahezu täglich gespielt habe; aber auch zu anderen Kindern im Dorf hatte ich Kontakt.

Du sagst, Tom fühlt sich in der Kita wohl. Ich finde das sehr wichtig. Ich kenne ihn jetzt zwar nicht, aber vielleicht füllt ihn die Kita schon genügend aus, dass es ihm nichts ausmacht, mit den anderen Kindern nicht so mitspielen zu können?

Meine Mutter hat früher die Kinder beobachtet und zum Teil auch in der Grundschule hospitiert, so dass sie bald die wichtigsten Kinderspiele und Kindersprüche kannte. Sie hat diese aufgeschrieben und sie mir beigebracht, so dass ich in der Grundschule dann auch sagen konnte: "Ich möchte auch mitspielen."

Vielleicht hier ein paar Anregungen, um der Einsamkeit entgegenzuwirken: Kinderpiele, die es gibt, aufschreiben und Tom beibringen; ein einzelnes Kind samt Mutter nach Hause einladen; spontan ein kleines Spielefest mit einigen Kindern organisieren; selbst die Initiative für ein Kinderspiel einbringen, z.B. einen großen, ungewöhnlichen Hüpfball mitbringen oder auf einem bepflasterten Weg mit Straßenkreide malen (=> wenn ich das tat, kamen die Kinder angerannt und wollten auch mit meiner Straßenkreide mitmalen).

Liebe Grüße,
Gudrun :worm: [size=small]

[Editiert von Gudrun am: Samstag, Juli 20, 2002 @ 12:04 PM][/size]
rhae
Site Admin
Beiträge: 1745
Registriert: 8. Jul 2002, 21:52
23
Wohnort: Bruchsal
Kontaktdaten:

Re: Umgang mit anderen Kindern

#6

Beitrag von rhae »

Hallo Gudrun,

das Thema überschneidet sich etwas mit Sunnyw71s Beitrag und vermutlich ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass schwerhörige Kinder wenig/keine Freunde finden :(

Aber die Beispiele aus Deiner Kindheit zeigen, dass man dem mit etwas Angagement durchaus entgegenwirken kann :)

Kindergeburtstage sind mir da selber noch in guter Erinnerung. War ich ab und zu wohl mehr zufällig bei einem wenig bekannten Kind eingeladen, hatte ich nach der Geburtstagsfeier meist ein ganz anderes, viel besseres Verhältnis zu ihm! Und wenn es nunmal nicht viele Gelegenheiten gibt einen Geburtstag zu feiern, macht man eben ein Sommerfest, Ferienanfangsfest, Herbstfest oder Sonstwas-Fest :jump:

Die Eltern sind da schon gefordert, die Aufgabe wird keine Förderstelle abnehmen und die Kinder einfach machen lassen und hoffen das sich alles von selbst regeln wird ist sicher der falsche Weg ...

Viele Grüße Ralph
[size=small]

[Editiert von rhae am: Sonntag, Juli 21, 2002 @ 05:15 PM][/size]
Antworten