Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

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teak
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Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#1

Beitrag von teak »

Vor drei Monaten habe ich einen Hörsturz rechts erlitten und seither eine breitaasige Hörminderung von rund 70%. Seit 6 Wochen teste ich verschiedene Hörgeräte bei einem lokalen HG-Akustiker. Erst ein Siemens Motion 3 (mit einer eklig unbequemen Plexiglas-Otoplastik), ein Siemens Pure 5, dann ein Phonak Audeo V30, schließlich ein Oticon Nera 2 Pro(die letzteren mit Silikon-Schirmchen). Bei allen Geräten wurde die Einstellung mehrfach geändert, um das Sprachverstehen zu verbessern.

Mit dem Phonak war das Verstehen letztlich noch am besten, allerdings um den Preis sehr unangenehmer Störgeräusche. In der Kabine beim Akustiker war immer alles in Ordnung, das von mir gehörte Rauschen wurde auf den PC-Lüfter zurückgeführt. Aber schon draußen auf der Straße begannen für mich die Probleme. Den Straßenverkehr höre ich wie plätscherndes Wasser, unangenehm laut. Nach einigen Sekunden scheint das Gerät die Lautstärke herabzusetzen, wobei auch Stimmen wieder unhörbar, mindestens wieder unverständlich werden. ist ein Auto vorbei gefahren, wird die Lautstärke wieder abgehoben - jedenfalls bis zum nächsten Fahrzeug. Einem längeren Satz kann ich jedenfalls nicht vollständig folgen, insbesondere wenn Sprecher und Störgeräusche in der gleichen Richtung stehen.

Vollständig irritiert bin ich, wenn mehrere Menschen um mich herum sprechen. Abhängig von der Stimmlage scheint sich das Gerät einen Sprecher herauszupicken, den ich dann auch gut verstehen kann, leider oft nicht den Sprecher, dem ich zuhören möchte.

Helle Kinderstimmen haben bei allen Geräten alle anderen Geräusche übertönt. Bei Musik waren bei rauchig tiefen Frauenstimmen nur Vokale hörbar, der Gesang als solcher nicht verstehbar. Ich hatte auch immer das Gefühl, daß Töne auf der Hörgeräteseite verspätet und zu langgezogen sind.

Ich habe vor einer Woche einen zweiten Akustiker aufgesucht, der sich deutlich mehr Zeit für mich genommen hat (knapp 2 Stunden beim Erstgespräch, gegenüber ca. 30 Minuten). Gestern hat er eine Stunde lang versucht, mir ein Audioservice Mood 16 anzupassen, ist auch mehrfach mit mir auf die Straße gegangen, aber auch hier hatte ich das Gefühl, die Störgeräusche sehr laut zu hören, die Stimmen gingen dabei fast unter. Also keine Verbesserung zu den bisher getesteten Geräten.

Dann holte er ein Oticon OPN aus dem Schrank. Leider passte die Thermotec-Otoplastik nicht daran, so daß er eine aus Silikon benutzen mußte, die starke Rückkopplungen verursachte, die er dann in den Einstellungen dämpfte.

Mit diesem Oticon, ohne jede weitere Anpassung, höre ich ganz ausgezeichnet! Der Unterschied war sofort hörbar, bei geöffneter Tür der Anpasskabine waren die Geräusche von außen zwar deutlich hörbar, aber lange nicht so dominant, wie bei den anderen Geräten. Auch auf der Straße konnte ich mich auf verschiedene Sprecher konzentrieren, ohne den Kopf drehen zu müssen. Auch abends in Gesellschaft konnte ich auch Sprechern auf meiner schlechten Seite folgen, ohne sie direkt ansehen zu müssen.

Heute morgen hat meine Frau beim Tischdecken geklappert und mir abgewandt gesprochen - ohne Hörgerät und mit den bisher getesteten Modellen habe ich sie bislang nicht verstehen können - mit dem OPN war das kein Problem.

Ich bin jetzt sehr verunsichert. Der Preis des OPN ist mit 2700 € schon eine heftige Ansage. Auch wenn meine Krankenkasse 1500 € übernimmt, bleiben für mich 1200 € übrig. Alle anderen getesteten Geräte hätten eine Aufzahlung von maximal 500 € bedeutet, das Nera wäre sogar ganz ohne Zuzahlung ausgekommen.

Sind meine Ansprüche übertrieben hoch angesetzt? Reicht es, wenn ein Hörgerät Grundbedürfnisse erfüllt und das Leben in vielen Situationen leichter macht, gelegentlich aber an unüberwindbare Grenzen stößt, oder muß es eine eierlegende Wollmilchsau sein?

Zur Verunsicherung trägt auch bei, daß die zuerst aufgesuchte Akustikerin meine, das Oticon OPN sei für meinen Hörverlust nicht geeignet, weil der Lautsprecher für meinen Hörverlust nicht stark genug sei (ich selbst empfinde ihn als durchaus stark genug). Die unterschiedliche Arbeitsweise beider Akustiker (Engagement, informationen, Erklärungen und nicht zuletzt die unterschiedlich langen Termine) geben mir auch zu denken. Besser aufgehoben fühle ich mich beim zweiten Akustiker. Kann ich der ersten Akustikerin einfach sagen, daß ich mich anderswo wohler fühle? Oder stelle ich auch hier wieder zu hohe Ansprüche?
Zuletzt geändert von teak am 10. Sep 2016, 10:34, insgesamt 1-mal geändert.
Selene
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Re: Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#2

Beitrag von Selene »

Hallo Bruno,

beim Lesen deines Berichtes kamen bei mir Gefühle auf und ich dachte, die Erfahrungen kenne ich von mir.

Lies mal hier meinen Testbericht:
http://www.schwerhoerigenforum.de/phpbb ... e=2#p80101

Ich kann dir nur anraten, auf dein Bauchgefühl zu hören und bei dem Akustiker zu bleiben, der auf dich, deine Fragen und Probleme eingeht.

Viel Erfolg beim weiteren Testen - und lass dir damit unbedingt alle Zeit der Welt!

Liebe Grüße,
Selene
Tinnitus (früher Morbus Meniere), durch Hörstürze beidseits ca. 50-70 dB Schwerhörig. Seit dem 11. Oktober 2017 Trägerin von Oticon opn 1 mit T-Spule Ex-Hörer mit geschlossenen Schirmchen. :idee:
annib
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Re: Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#3

Beitrag von annib »

Ich bin glaube ich in einer ähnlichen Situation. Nach einem Hörsturz eine einseitige Hörminderung, einseitig zu versorgen. Und das scheint wirklich nicht so einfach zu sein. Ich habe verschiedene Gerät durch von Phonak, Widex, Oticon.
Bei einem Gerät war die Welt so hart und so laut, dass ich mich am laufenden Band entschuldigt habe, weil ich dachte, dass ich einen schrecklichen Krach mache.
Das Richtungshören war immer schwierig, ebenso auch das Verstehen in größeren Gruppen bei Umgebungslärm oder aber, wenn sich der Sprecher von mir weggewendet hatte und ich ihm nicht ins Gesicht gucken konnte.
Nun trage ich die Opn zur Probe und bin bisher auch sehr zufrieden. Es wird noch an den Einstellungen herumgeändert, weil ich zum Teil immer noch Probleme bei Umgebungslärm habe, aber vielleicht gibt sich das ja. Insgesamt sind aber fast alle Hörsituationen gut zu meistern bzw. angenehm "neutral". Ansonsten hatte ich immer das Gefühl, dass das nicht betroffene Ohr meldet: "Da auf dem anderen Ohr hört sich das anders an / da ist es lauter / was auch immer." Ein ständiger Vergleich zwischen beiden Ohren.
Ich werde auch die Differenz von ca. 1500 Euro tragen müssen, wenn ich mich für dieses Gerät entscheide, aber ich werde es dann wahrscheinlich auch mit 'Überzeugung' machen, weil ich das Maximum für mich herausholen muss. Ich bin im Beruf ständig mit Menschen zusammen, muss in Gruppen verstehen, muss leise sprechende Menschen verstehen usw. Mein Beruf ist zu sehr an Sprache und Verstehen geknüpft als dass ich mich da täglich quälen kann. Ich finde es so schon immer noch anstrengend genug.
Insofern: nein, aus meiner Sicht hast du keine zu hohen Ansprüche. Wenn du es dir leisten kannst, die Zuzahlung zu machen, dann denk darüber nach.
nach Hörsturz/Hörstürzen auf einem Ohr an Taubheit grenzend, jetzt mit CI
teak
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Re: Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#4

Beitrag von teak »

Danke für den Zuspruch!

Am Freitag war ich bei einer Chorprobe. Trotz 30 singender Menschen könnte ich die Bemerkungen meines Vertreters deutlich verstehen , obwohl er auf meiner HG-Seite stand. Die Lautstärke habe ich ber der Probe aber mit dem iPhone auf 60% reduzieren müssen, wegen der Rückkopplung.

Gestern habe ich in einer Gruppe eine Radtour gemacht. Windgeräusche waren zu hören, aber nicht unangenehm. Und wenn jemand gesprochen hat, habe ich ihn auch verstanden, zumindest wenn er nicht zu weit entfernt war. Danach war Schwimmbad angesagt und viel Kindergeschrei. Deutlich zu hören, aber lange nicht so laut und unangenehm wie mit den bisherigen Geräten. Ich habe dann auch die Streaming-Funktion ausprobiert und vom iPhone Musik gehört. Der Bass könnte mehr Wumms haben, das liegt aber vermutlich an dem nicht richtig passenden Ohrtstück. Sobald ich mit dem Daumen den Gehörgang etwas abgedichtet habe, würde es besser.

Heute morgen habe ich mich von der ersten Akustikerin verabschiedet. Sie erklärte mir noch einmal, dass das OPN meine Hörstörung nicht ausgleichen könne und es bei einer einseitigen Versorgung völlig normal sei, dass das Gehörte links und rechts unterschiedlich sei, das sei der Stand der Technik. Im übrigen sei im Oktober Messe und die Hersteller würden viele Neuheiten präsentieren. Ich könne mich gern wieder melden.

Am Donnerstag habe ich noch einen Termin beim HNO wegen der Verordnung und der zweite Akustiker will bis dahin das Thermotec-Ohrstück für das OPN umarbeiten und das Gerät anpassen.

Ich bin eigentlich schon entschieden, in den sauren Apfel zu beißen und den hohen Aufpreis des OPN zu zahlen, weil

1. Stimmen und Geräusche endlich so klingen, wie auf dem besseren Ohr
2. ich auch bei lautstarker Umgebung Gesprächen folgen kann
3. Musik natürlich klingt
4. mein Tinnitus komplett weg ist
5. die Bedienung mit dem iPhone per Dreifach-Klick sehr bequem ist.

Diese Gründe sind natürlich sehr subjektiv. Deshalb führe ich noch einen weiteren, letztlich entscheidenden Aspekt an: heute Abend sagte mir meine Frau, ich sei seit Freitag wieder so wie früher, nicht mehr so abweisend, verschlossen und mürrisch wie in den vergangenen drei Monaten nach dem Hörsturz.

Das hat mir noch einmal die Augen dafür geöffnet, was dieser Hörsturz mit mir gemacht hat. Ich habe mich so sehr auf Hören und Nichthören konzentriert, dass ich meine Stimmung und die Wirkung meines Verhaltens auf andere völlig aus dem Blick verloren habe.

Wenn eine der "Krücken" Hörgerät mir wieder erlaubt, ich selbst zu sein und die anderen "nur" etwas besser Hören und Verstehen erlauben, aber immer nur mit Einschränkungen, dann sind die 1300 € kein zu hoher Preis.
franzi
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Re: Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#5

Beitrag von franzi »

Das mit dem nicht richtig sitzendem Ohrpasstück kann auch der Grund sein für die Rückkopplung bei singen im Chor. Ansonsten hast du ja immer noch die möglichkeit dir zuüberlegen ob du für das singen im Chor dir ein extra programm machen lässt, falls noch programm plätze übrig sind.
seit geburt schwerhörig. erste Hörgeräte mit 11jahren, mittlerweile Hochgradig sh bis an taubheitgrenzende schwerhörig
Links seit 12.2010 CI , re-implantation Mai.2011 und recht oktober.2014 CI.
EinOhrHase
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Re: Schwierige Versorgung bei einseitigem Hörverlust

#6

Beitrag von EinOhrHase »

Wenn die Lautstärke in bestimmten Frequenzen "zu" laut ist, wird, kann das ebenso ein Rückkoppeln verursachen.

Evtl eine Rückkopplungsmessung machen, dann dürfte das zumindest vom Gerät her etwas besser werden, wenn die Otoplastiken gut passen.
Diese nachzubessern dürfte eigentlich kein so grosser Akt sein ;)

Hatte / habe das in manchen Frequenzen hin und wieder noch, dass mein Gerät etwas koppeln anfängt (ua Musik), aber es bleibt im Rahmen des Möglichen.
Wobei das Ponto etwas "schwieriger" einzustellen ist wie ein HdO.

Gurss
Wer nicht (gut) hören kann, sollte genauer hinsehen ;)
Körper(sprache) lügt niemals :!:

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