progrediente Schwerhörigkeit

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Sukram
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progrediente Schwerhörigkeit

#1

Beitrag von Sukram »

Hallo Zusammen,

ich bin im Moment am Boden zerstört und muss mich erst mal hier ausheulen. Ich war heute bei Hörtest nachdem mir am Wochenende aufgefallen ist das mein Gehör sich verändert hat. Und da bekam ich auch das Ergebnis vor dem ich so Angst hatte. Die Frequenzen um 3000 und 4000 HZ sind um ca. 20dB runtergegegangen. Jetzt sitze ich hier Zuhause und bin seelisch total im Keller. Ich hatte nach meinem ersten Hörsturz vor zwei Jahren gehofft das mein Gehör einigermaßen stabil bleibt und ich damit noch ein paar Jahre weiterkomme, aber heute habe ich die Hoffnung komplett verloren und muss mich damit erst mal abfinden. Ich könnte echt den ganzen Tag heulen. Mein Hausarzt hat mich erst mal eine Woche krankgeschrieben und gibt mir Kortison-Infusionen in der Hoffnung das es etwas hilft.
Ist es jemandem von euch ähnlich ergangen? Hier kann mich keiner verstehen, man versucht mir zu helfen indem man mir sagt es ginge doch noch, stell dich nicht so an, sei froh das du nicht blind bist, und so weiter. Es ist alles sicher gut gemeint, mir reicht meine Schwerhörigkeit aber zum Unglücklichsein.
Ich habe mich in den letzten Monaten schon sehr von meinem Freundeskreis zurückgezogen und vermeide Partys und Feste, weil es mir dort zu laut ist. Meine Frau und die Kinder stehen immer noch sehr gut zu mir, dafür bin ich sehr dankbar. Aber sie sind eben nicht schwerhörig und ich glaube das nur jemand der das kennt auch verstehen kann wie man sich als Schwerhöriger fühlt.
Ich muss es irgendwie schaffen mich damit abzufinden damit mein Leben wieder Spaß macht. Ich tue mir selber einfach nur noch leid und beschäftige mich nur noch mit dem Thema und hoffe auf eine Heilung mittels Stammzellen die aber wahrscheinlich erst in ca. 15 Jahren oder später möglich sein wird. Macht mir trotzdem Hoffnung. Bin ja erst 43.

Und ich merke gerade wie gut es mir tut das ich hier meine Sorgen niederschreiben darf. Ich möchte Zuhause nicht immer das Thema auf den Tisch bringen. Ich hoffe ich stoße hier bei euch auf Verständnis und Zuspruch.

ich wünsche euch alles, alles Gute und sehr schöne Feiertage,

Markus
Zuletzt geändert von Sukram am 19. Dez 2011, 20:03, insgesamt 1-mal geändert.
pascal2
Beiträge: 413
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Re: progressive Schwerhörigkeit

#2

Beitrag von pascal2 »

Hallo !

sich alles von der Seele schreiben, ist in jedem Fall sehr gut und hilft ungemein.
Das ist übrigens eine progrediente Schwerhörigkeit was du hast.
Habe ich auch.
Inzwischen bin ich taub.
Das hilft dir jetzt sicher nicht, aber bei Progredienz, sollte man doch den Wahrheiten ins Auge schauen, weil man sein ganzes Leben am besten darauf einstellt.
Vergiss das mit den Stammzellen, das wirst du nicht mehr erleben.
Sei statt dessen froh, daß du in der heutigen Zeit lebst und es das CI gibt.
Also Kopf hoch, du hast gute Chancen nicht jahrzehntelang taub herumzurennen.

Was ich dir noch in deiner Situation empfehle, such dir zum reden einen Psychotherapeuten, ja, du scheinst ein Mann zu sein, und wir haben große Probleme damit.
Aber du mußt lernen, zu deinen Schwächen zu stehen, sonst zerbricht du darunter.
Je schlechter du hören wirst, um so mehr mußt du dazu stehen, es geht einfach nicht anders.
Zum Glück hat der weise Trittin die Entwicklung des Deutschen Rentensystems früh erkannt und das Flaschenpfand eingeführt !
Gabriele
Beiträge: 504
Registriert: 21. Apr 2006, 21:56
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Re: progrediente Schwerhörigkeit

#3

Beitrag von Gabriele »

Hallo Markus

Herzlich willkommen hier im Forum.
Ich bin Mama ( also eigentlich sind wir Eltern ;) ) von 3 schwerhörigen Kindern die progredient sind.
Ich kann dich nur annähernd sehr gut verstehen, stand ich doch immer nur auf der anderen Seite. Aber meine Töchter sind mittlerweile beidseits mit einem CI implantiert nachdem die Hörgeräte-Versorgung nicht mehr den erwünschten Erfolg brachte um im Leben klar zu kommen.
Ich habe in 3 Jahren 5 Operationen begleitet, angefangen von der Diagnose CI bis hin zu den Anpassungen. Als Mutter ist es der pure Horror seine Kinder in dieser Situation zu sehen aber für meine Kinder war es immer wichtig zu hören.
Egal ob mit Hörgeräten oder eben dann mit CI.
Ich würde dir empfehlen das du mit deinem Akkustiker die für dich richtigen Hörgeräte findest.Lass dir Zeit bei deiner Entscheidung und sollte dein Gehör weiter abrutschen dann nimm Kontakt zu einer guten Klinik auf die schon Erfahrung mit CI´s hat.
Dort wird man dich untersuchen ob du für ein CI geeignet bist...die sogenannte Vorsorgeuntersuchung.
Die kann man durchaus schon einige Zeit vor einer OP machen, denn sollte es wieder erwarten bei dir genauso schnell gehen mit dem Hörverlust wie bei meinen Töchtern, dann ist die VU schon erledigt und eine OP findet schneller statt.
Aber deine Progredienz kann auch sehr lange und langsam vor sich gehen. Über mehrere Jahre...verzweifel nicht daran.
Such dir doch Kontakt zu anderen schwerhörigen, dort hast du Ansprechpartner die dir ein wenig Beistand in deiner Traurigkeit geben.

Liebe Grüße
Gabi
Theresa 27, beids. CI ´08 u.´10 (N5)
Reimplantation re,2011 u. 2012
Lorenz 26, beids. Hg Sophia 23, beids. CI ´09 u.11 (Hybrid L )u.Kolobom
Alle Kinder progredient.
hilde_tuchel
Beiträge: 70
Registriert: 30. Mai 2014, 11:49
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Re: progrediente Schwerhörigkeit

#4

Beitrag von hilde_tuchel »

Hallo, Sugram, es ist sicher schlimm, was dir passiert, aber es hilft dir nicht, in deiner Traurigkeit zu verfallen und dich zu bedauern. Besser ist es, dir selber zu helfen, indem du nicht nur nach Hörgeräten schaust, sondern auch Kontakt zu anderen Hörgeschädigten suchst und Lippen lesen lernst, evtl. auch LBG, da kannst du die Kommunikation verbessernund im Falle einer weiteren Hörverschlechterung vorsorgst. Die gerade gesagten Möglichkeiten helfen dir auch, falls du tatsächlich taub werden solltest. Dann kannst du auch in dem FAll mit anderen Leuten sprechen. Vielleicht kannst du auch eine Reha in Rendsburg besuchen, in der du auch lernen kannst, anderen Nichtwissenden erklären, wie es mit deiner Schwerhörigkeit steht und was dir hilft, daß die Anderen weiterhin mit dir sprechen und sich nicht abwenden. Ebenso, welche Hilfsmittel dir in deinem Alltag das Leben leichter machen. Beruflich möchtest du sicher auch noch mithalten können, da gibt es auch Hilfsmittel.
Viel Glück und schöne Weihnachtsfeiertage wünscht
Hilde
maryanne
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Registriert: 22. Okt 2008, 10:32
16

Re: progrediente Schwerhörigkeit

#5

Beitrag von maryanne »

Hallo Sugram,
es ist völlig normal, dass du den Hörverlust so sehr betrauerst und du derzeit nur heulen möchtest. Ich erlaube mir mal die Aussage, das nachvollziehen zu können, denn ich bin selbst (damals Mutter von zwei Schulkindern) spätertaubt.

Deine Frau und deine Kinder leiden auch - anders als du, aber glaub mir, es ist verdammt schwer, an etwas zu leiden, was man selbst nicht hat und doch nicht helfen zu können.

Heutzutage ist Progredienz kein endgültiges Urteil mehr, am Ende des Tunnels steht immer noch die Möglichkeit, mit CI zu hören und nicht in völliger Taubheit leben zu müssen. Das mag zunächst ein schwacher Trost sein.
Konkret kann ich dir nur empfehlen: Hörgeräte auf den neuen Hörverlust einstellen lassen, dich wegen weiterer Hilfsmittel erkundigen - und erstmal Ruhe haben. Versuche, deine Ohren mal ein bisschen außen vor zu lassen, beschäftige dich mit dem Sehen (Dinge anschauen), bewege dich an der frischen Luft und versuche mal bewusst, den Annehmlichkeiten des Lebens nachzuspüren, die es auch ohne gutes Hören gibt.
Trauer ist gut, richtig und normal, achte nur darauf, dass du nicht im Tal hängen bleibst.
Es besteht kein Grund, jetzt in Aktionismus zu verfallen.
Stell doch mal dein aktuelles Audiogramm hier ein, damit wir dir ggf. weitere Empfehlungen geben können.
Gut, dass du hier gepostet hast!

Alles Gute Maryanne
deffman
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Re: progrediente Schwerhörigkeit

#6

Beitrag von deffman »

Bei ist es etwas unauffälliger gewesen, also alle Jahre mal 10 db weniger, aber mittlerweile kann ich nur noch mit sehr starken Hörgeräten hören, ab 3000 hz höre ich nichts mehr, muss von den Lippen lesen. Ich bin heute noch manchmal geknickt, weil ich so vieles einfach gar nicht mitbekomme :-( Andererseits weiß ich gar nicht mehr wie normales Hören sein würde. Man gewöhnt sich einfach daran anders zu sein...wichtig ist, gute, verständnisvolle Freunde zu haben, am besten auch andere, die auch gehörlos oder so schwer hörbehindert sind wie man selbst.
Gehörlos, sehbehindert=taubblind... Tunnelblick, stark kurzsichtig, Strabismus. : 2 Hörgeräte, Gebärdensprache, taktile Gebärdensprache, Taubblinden-Assistenz
Geschwindibus
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Re: progrediente Schwerhörigkeit

#7

Beitrag von Geschwindibus »

Dieser Tread ist zwar schon betagter, aber als "Leidensgenosse" möchte ich mal meine Erfahrung kund tun:

Progressive Schwerhörigkeit wurde bei mir mit 13 Jahren (also vor 20 Jahren) diagnostiziert. Zuerst ging es Pö-a-Pö. Mit 18 bekam ich dann meine ersten Hörgeräte und habe mich geistig schon ab da darauf vorbereitet, dass irgendwann - in der Hoffnung es möge nicht so bald sein - der Morgen kommen wird wo ich aufwache und nichts mehr höre. Mit 25 kam dann ein Tinitus hinzu und ab da noch zwei weitere Hörgerätegenerationen.

Die aktuellen Super220 von Widex sind - wie der Name sagt - super Technik. Haben auch ne Stange Geld gekostet jedoch dachte ich mir "JETZT EINMAL noch richtig". Vor einigen Monaten kam dann heraus, dass ich aufgrund des schleichenden Hörverlustes rechts nurnoch 5% und links 35% Hörvermögen habe und ein CI Implantat steht an.

Hier hege ich die Hoffnung, dass damit endlich ein Schlussstrich unter diese 20 Jahre andauernde hörtechnische dahinvegitierung gezogen werden kann.

Ich wünsche jedem betroffenen einen möglichst langen Erhalt der Hörleistung. Und keine Panik: Wenns dann nimmer geht, dann helfen Implantate welche kostentechnisch von den gesetzlichen Krankenversicherungen in DE getragen werden sofern eine entsprechende Indikation vorliegt.

Ich für meinen Fall freue mich schon darauf :)
Geschwindibus
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Re: progrediente Schwerhörigkeit

#8

Beitrag von Geschwindibus »

deffman hat geschrieben:Ich bin heute noch manchmal geknickt, weil ich so vieles einfach gar nicht mitbekomme :-( Andererseits weiß ich gar nicht mehr wie normales Hören sein würde. Man gewöhnt sich einfach daran anders zu sein
Stelle mir das so vor, dass Hören wie Fahrradfahren ist: Konntest du es einmal, so braucht sich dein Gehirn nur wieder daran zu erinnern und es fällt einem leichter mit CIs klar zu kommen als jemandem der Taub auf die Welt gekommen ist - oder eben in der Sprachlernphase ertaubt ist.
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