Hallo Daniel,
ich will dir einfach mal von unseren Erfahrungen berichten. Sicher - anderes Kind mit völlig anderen Problemen, andere Optionen und auch völlig anderes Bundesland mit einer völlig anderen Schulpolitik. Aber einiges kann dir vielleicht helfen, in andere Richtungen zu denken.
Aufgrund der bestehenden Mehrfachbehinderung hat die zuständige SH-Schule die Aufnahme unseres Kindes abgelehnt, so dass wir, weil alle Fachleute sich darüber einig waren, dass eine Regelschule nicht in Betracht käme, uns nach anderen Förderschulen umschauen mussten.
Deshalb war, wie auch bei euch - eine Beschulung gemeinsam mit Kindern mit dem Förderschwerpunkt Sprache eine theoretische Option. Schnell stellte sich heraus, dass die Sprachheilschule hier hauptsächlich von Kindern besucht wird, die deshalb schlecht sprechen, weil sie von ihren Eltern vor dem Fernseher "geparkt" wurden oder die, da bei uns die E-Klassen für die ersten beiden Schuljahre aufgehoben wurden, eher emotional beeinträchtigt und deshalb hauptsächlich verhaltensauffällig sind. Das Personal an den Sprachheilschulen hat von Schwerhörigkeit und den daraus resultierenden Problemen beim Lernen soviel (oder sowenig) Ahnung wie jeder andere Lehrer auch - ob die SH berücksichtigt und das Kind angemessen unterstützt wird, ist abhängig vom Engagement des konkreten Lehrers. Dazu kommen hier noch die eher ungünstigen Lernbedingungen durch die Konzentration von verhaltensauffälligen Kindern.
Bedenken muss man auch, dass Sprachheilschulen oder -klassen zur "Durchgangsbeschulung" konzipiert sind. Wer sich sprachlich verbessert, kann in die Regelschule wechseln. Kinder, die an der Regelschule erhebliche Probleme hatten, wechseln in die Klasse ein. Das Ergebnis ist ein ständiges Kommen und Gehen - sicher problematisch zum Knüpfen von Freundschaften.
Im letzten Sommer waren wir zur Reha (nicht in Werscherberg - auch dort finden mehrfachbehinderte Kinder keine Aufnahme). Unser Sohn gehörte - trotz der erheblichen Sprachprobleme durch die spät erkannte Schwerhörigkeit - zu den Kindern, die eher besser sprachen. Selbst als Normalhörende hatte ich bei einigen Therapiekindern starke Probleme, überhaupt zu verstehen, WOVON sie sprachen, so schwer war deren Sprachstörung. Mein Sohn hatte aufgrund seiner Schwerhörigkeit oft keine realistische Chance, diese Kinder zu verstehen.
Im Herbst wurde unser Sohn nun in eine KB-Schule eingeschult - hinsichtlich der motorischen Probleme des Kindes eine absolut richtige Entscheidung. Zur Schwerhörigkeit kam jedoch die Aussage, dass die Hörprobleme durch die Hörgeräte ausgeglichen seien und deshalb kein Handlungsbedarf bestehe. Auch die versprochene Hinzuziehung von Förderlehrern der SH-Schule findet nicht statt. Anderseits herrscht unter den Lehrern ziemliches "Rätselraten", warum ein kognitiv nicht eingeschränktes Kind nicht Lesen, sondern nur Wortbilder auswendig lernt. Dass ein Zusammenhang zwischen dem Nicht-Differenzieren-Können von Lauten und dem Unvermögen, sich unbekannte Worte zu erlesen, bestehen könnte, erschließt sich dort nicht wirklich.
Was man auch nicht unterschätzen darf, ist das oft auch deutlich langsamere Lerntempo an den Förderschulen - und zwar auch dann, wenn offiziell nach Regelschullehrplan unterrichtet wird. Uns hat man bereits im Oktober mitgeteilt, dass ALLE Kinder statt zwei Jahren in der Eingangstufe drei benötigen werden.
Im Ergebnis sollte man die Komponenten
- andere Ausbildung der Lehrer --> andere Methoden, eventuell für SH nicht geeignet
- oft deutlich schlechterer Sprachstatus der Mitschüler
- möglicherweise problematisches soziales Umfeld der Kinder
- Problemen in den Sozialkontakten durch Durchgangsbeschulung
- oft kein Einhalten der Unterstützung durch SH-Förderpädagogen
- eventuell langsameres Lerntempo
bedenken, wenn man sich für eine Förderschule oder -klasse entscheidet, die nicht den Förderschwerpunkt SH hat.
Daniel83 hat geschrieben:Von der Sozialen Diagnostik wurde uns gesagt dass ihr IQ überdurchschnittlich ist. Sie hat lediglich das Problem des Hörens und nicht richtig Verstehens. Dadurch ist sie in Ihrer Sprachentwicklung noch ein wenig zurück. Alles was sprachlos ist meistert sie ohne Probleme. Alleine alles was mit Sprache zu tun hat bereitet ihr Schwierigkeiten. An dieser Stelle sei noch erwähnt dass ihre Hörhilfen allesamt schon so gut eingestellt sind dass es besser fast gar nicht mehr geht. Über ein ganzes Jahr haben die zahllosen Hörteste immerwieder ergeben dass an den Einstellungen nichts mehr groß verändert werden musste. ...Im Übrigern kommt eine Regelschule nicht in Frage. Dafür ist der Entwicklungstand definitiv nicht ausreichend. Wir haben hier nur diese beiden Möglichkeiten...
Wenn deine Tochter kognitiv fit ist und ihr derzeitiger "Hörstand" eine Regelbeschulung zum jetzigen Zeitpunkt noch ausschließt, könnte man auch über eine Rückstellung und eine begleitende Sprachreha - z.B. in Werscherberg - nachdenken. Mit deutlichen Fortschritten beim Hören, Sprechen und Sprachverständnis könnte man, wenn auch die Regelschule dazu bereit ist, eine Einschulung dort in Angriff nehmen - eventuell (anfangs) unterstützt durch einen vom Schulamt oder Sozialamt bezahlten Integrationshelfer, der deine Tochter im Unterricht begleitet. Dann hätte sie zusätzlich Anspruch auf die Förderung durch einen Förderpädagogen der SH-Schule, würde tatsächlich nach Regelschullehrplan unterricht und hätte altersgerechte Sprachvorbilder.
Viele Grüße