mittelgrad. SH, Prognose?

Hier kann man sich vorstellen oder eigene Erlebnisse berichten
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ambra
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mittelgrad. SH, Prognose?

#1

Beitrag von ambra »

Hallo! Ich bin relativ neu hier. Letzte Woche haben wir durch die Bera erfahren dass Franka, 22 Monate, mittelgradig schwerhörig ist (links ab 50 DB rechts ab 40 DB, ev. schon ab 30 DB).
Franka "spricht" schon sehr viel und man kann einige Wörter verstehen, wenn auch sehr undeutlich gesprochen (Aupe für Auto, Baoe für Baum, Blme für Blume, Lape für Lampe, arbeitey für arbeiten, Tia für Pia, Dir für Dirk, Tanböste für Zahnbürste, Haaböte für Haarbürste usw.) Sie spricht auch schon Sätze: Das is mei Mama, Da is de Opa. Vieles kann ich gar nicht verstehen, regelrechtes hastiges Kauderwelsch. Hase, Katze, Mama, Papa, Opa, Oma spricht sie deutlich.
Kann mir jemand sagen aufgrund der Diagnose und ihrer Sprache, wie sie sich mit Hörgeräten entwickeln können wird, besonders die Sprache? Wird es Probleme mit sozialen Kontakten geben, wenn die Kommunikation erschwert ist? Der Pädaudiologe meinte, sie können Regel-KiGa und -Schule besuchen. Kann man das denn überhaupt jetzt schon sagen? Wie gut wird die Schwerhörigkeit auskorrigiert werden können? Kann man aufgrund der Sprache eine Aussage machen, was genau für eine Hörstörung bei Franka vorliegt? Sie hatte massiven Sauerstoffmangel bei der Geburt, mußte wiederbelebt werden (Notkaiserschnitt). Sie wurde 5 Wochen zu früh geboren. Danke für Eure Hilfe
Viele Grüße, Ambra
Andrea Heiker
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Registriert: 10. Jul 2002, 11:39
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#2

Beitrag von Andrea Heiker »

Liebe Ambra,

für mittelgradig schwerhörige Kinder ist typisch, dass die Sprachentwicklung am Anfang völlig normal verläuft. Auffällig ist jedoch, dass die Aussprache sehr verwaschen und unsauber ist. Der Grund für diese Entwicklung ist, dass mittelgradig Schwerhörige die Sprache ja durchaus hören. Sie hören allerdings nicht richtig, dass heißt manche Buchstaben hören sie gar nicht. Andere klingen irgendwie verzerrt und unsauber und sind nicht eindeutig.

Mit Hörgeräten kann man bei mittelgradiger Schwerhörigkeit in ruhiger Umgebung ein fast normales Hören erreichen. Teilweise massive Probleme werden jedoch beim Verstehen im Störlärm oder in großen Gruppen bleiben. Dort kann man zwar mit Richtmikrofonen noch einiges erreichen, aber in der Kneipe wird man immer gegenüber Hörenden benachteiligt sein.

Ich denke, dass die Entwicklung Eurer Tochter noch einen Schub bekommt, wenn Sie Hörgeräte hat und sich daran gewöhnt hat. Da sie ja sowieso schon spricht, wird sie sicher schneller dahinter kommen, dass sie mit Hörgeräten Euch besser verstehen kann und nach einiger Zeit wird sie sich die Sprache auch verbessern. Ich muss dazu sagen, dass in dem Alter normalhörende Kinder auch noch nicht unbedingt gut sprechen. Mein Patenkind ist 25 Monate alt, manche Wörter sind recht klar, aber bei anderen hat Sie auch noch ihre Probleme.

Zur Schule und Kindergarten kann man jetzt noch nicht viel sagen. Es spricht nichts gegen einen Regel-KiGa. Aber die Erzieher müssen dort schon gewisse Rücksichten nehmen, z.B. das Verwenden einer FM-Anlage oder in bestimmten Situatuionen für Ruhe sorgen.

Gruß
Andrea
seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, im Alter von zwei Jahren mit zwei Hörgeräten versorgt, seit 2002 ein CI
ambra
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#3

Beitrag von ambra »

Liebe Andrea!
Danke für Deine Antwort. Ich habe schon gesehen, dass Du hier im Forum ganz vielen betroffenen Eltern hilfst und auf viele Fragen Antwort gibst. Ich bin Dir sehr dankbar für die aufschlußreiche Antwort.
Liebe Grüße,
Ambra
Andrea Heiker
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#4

Beitrag von Andrea Heiker »

Liebe Ambra,

ich habe Dein Posting noch einmal durchgesehen.

Nun, warum Eure Tochter genau sh ist, wird sich vermutlich nie richtig klären. Ich kenne allerdings Ärzte, die die Auffassung vertreten, dass das Gehör nur durch sehr andauernden Sauerstoffmangel geschädigt wird. Und dann liegen wegen dem Sauerstoffmangel noch andere Behinderungen vor (spastische Lähmung usw.). Das ist aber bei Euch offensichtlich nicht der Fall. Ob die Ursache bie Euch jemals restlos geklärt wird, ist fraglich. Aber das ändert ja nichts an der Schwerhörigkeit, wenn man die Ursache eindeutig kennen würde.

Ich habe Euch ja schon früher geschreiben, dass Hörgeräte sehr helfen, aber nicht alles ausgleichen können. Wie die die soziale Entwicklung aussieht, bleibt abzuwarten. Neben der Schwere des Hörverlustes hängt es auch vom Charakter des Kindes, der Unterstützung zu Hause, in KiGA und Schule ab, ob es in sozialer Hinsicht voll integriert wird. Bei kleinen Kindern (bis ca. 10 Jahre) gibt es meistens allerdings weniger Probleme, da die Sprache und das Verstehen nicht so sehr im Vordergrund steht. Im jugendlichen Alter sieht es da schon anders aus.

Zu den Hörgeräten: Besteht bei der Anpassung der Geräte darauf, mindestens ein Gerätepaar zu probieren, das keine Zuzahlung erfortert. Für mittelgradig Schwerhörige gibt es sehr viele Geräte, die in Frage kommen. Weiter verhindert, dass Eure Tochter jemals auf die Idee kommt, dass Hörgeräte ein Makel sein könnten, den es zu verstecken gilt. Es ist wichtig für die weitere Entwicklung, dass sie positiv zu den Geräten steht und jederzeit den Mut hat, zu sagen, dass sie schlecht hört. Farbe bei den Geräten sind schon ein wesentlicher Schritt, da ein Kind die Farbe gerne zeigt. Auch wenn Euch auf der Straße jemand sich abfällig über Hörgeräte äüßert, oder meint, dass sie bei einem so kleinen Kind nicht nötig seien, dann müsst ihr Kontra geben. Das kommt aber zum Glück selten vor.

Gruß
Andrea
seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, im Alter von zwei Jahren mit zwei Hörgeräten versorgt, seit 2002 ein CI
ambra
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#5

Beitrag von ambra »

Hallo Andrea!
Danke für Deine Antwort!
Mich verwirrt die Tatsache, dass nur anhaltender Sauerstoff einen Hörschaden verursachen soll. Bzw. bei akutem Sauerstoffmangel ansonsten noch andere Symptome aufgetreten wären. Das ist nicht der Fall bei Franka.
Irgendwie möchte man ja doch gerne wissen, was die Ursache ist. Hier liest man ja auch von vielen Frühchen, die Betroffen sind. Was ist da die Ursache? Franka war ja auch ein Frühchen, wurde beatmet. Ich habe da von dem Antibiotikum gelesen, welches Frühchen verabreicht wird und zu Gehörschäden führen kann.
Für mich ist die Klärung insoweit wichtig als dass ich dann ja doch befürchten muß, daß die SH schlimmer wird.
Der Kinder-HNO in Münster hat uns gesagt, dass es wahrscheinlich am Sauerstoffmangel lag. Kann es sein, dass es unterschiedliche Meinungen gibt (wie es ja immer in der Medizin ist)?
Viele Grüße,
Ambra
Andrea Heiker
Beiträge: 3024
Registriert: 10. Jul 2002, 11:39
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#6

Beitrag von Andrea Heiker »

Liebe Ambra,

wenn man zwei Ärzte fragt, bekommt man drei Meinungen. Die einen Ärzte sagen, mangelnde Sauerstoffversorgung kann ein Grund sein, andere sagen, dass das nur lang anhaltenden Sauerstoffmangel ein Grund sein kann.

Es ist jedenfalls Tatsache, dass viele Antibiotika ototoxisch sind und je jünger das Kind, umso anfälliger sind die Kinder für einen Hörschaden bei Antibiotika. Manchmal ist es aber sehr schwer zu klären, ob das Antibiotikum lebensnotwendig war und ein Hörschädigung in Kauf genommen werden musste, um das Kind zu retten, oder ob es zu dem speziellen Antibiotikum vielleicht noch eine Alternative gegeben hätte. Aber hat Euer Kind überhaupt Antibiotika bekommen?

Ich kann verstehen, dass man andererseits den Grund wissen möchte, aber praktische Konsequenzen hat das sichere Wissen ja nicht. Euer Kind braucht nun mal Hörgeräte, eine Innenohrschwerhörigkeit kann man nicht operieren. Auch wenn die Schwerhörigkeit progredient sein sollte, was ich nicht hoffe, kann man nichts machen.

Gruß
Andrea
seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, im Alter von zwei Jahren mit zwei Hörgeräten versorgt, seit 2002 ein CI
Birgit
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Re: mittelgrad. SH, Prognose?

#7

Beitrag von Birgit »

Es gibt leider bei Frühchen häufig eine Sepsis, zu deren Behandlung dann oft ein Antibiotikum aus der reihe der Aminoglycosiede genommen werden muss. Die sind in zu hoher Dosierung ototoxisch (allerdings werden inzwischen diese Medikamente bei Frühchen und anderen Säuglingen immer anhand der Blutspiegel dosiert, sodass man nur eine geringe Gefahr dafür hat).
Aber es gibt z.B. "satistische Gründe" bei Frühchen für eine Hörschädigung: vor der 30.SSW, unter 1000g treten Hörschädigungen häufiger auf als bei älteren Frühchen; insgesamt tritt aber bei Frühgeburtlichkeit wahrscheinlich nicht häufiger eine Hörschädigung ein als bei reuifgeborenen Kindern (mit Ausnahme der oben genannten Fälle). Aber inzwischen werden zum Glück mehr Schädigungen relativ frühzeitig erkannt, weil es das Hörscreening gibt.
erst mal Viele Grüße
Birgit
Birgit +
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Claudia 10/92, an Taubheit grenzend,fast blind und....
Cornelia 06/97
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