Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

Antworten
Flavia

Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#1

Beitrag von Flavia »

Liebes Forum,

ich habe zur Zeit ein Hörgerät, das an seine Leistungsgrenzen kommt. trotzdem möchte ich es noch einmal möglichst gut einstellen lassen, um zu sehen, was da noch herauszuholen ist. Die Akustikerin hat also festgestellt, dass ich bei normaler Sprachlautstärke nur noch 30% mit einem Ohr verstehe, im lauteren Modus waren es immerhin noch 85%. Sie hat die Einstellungen so gut es ging noch geändert und auf meine Bitte noch einen objektiven Test gemacht. Dabei kam heraus, dass meine Hörkurve noch nicht ganz in dem Sprachfeld liegt. Daraufhin hat sie das HG so laut es geht eingestellt. Das hatte leider zurFolge, dass ich schlechter verstanden habe, da die tiefen Frequenzen alles überlagert haben. Gerade mit Nebengeräuschen war es schrecklich. Das leisere, zweite Programm war in allen Situationen besser. Ich bin also eine Woche später noch einmal zu der Akustikerin gegangen und sie hat die Tiefen ohne erneute Messungen etwas reduziert. Tatsächlich höre ich jetzt besser, aber meine Frage ist: kann man irgendwie ermitteln, wie die ideale Einstellung sein müsste ohne einfach herumzuprobieren nach dem Motto," ich stelle die Tiefen Frequenzen jetzt leiser das nächste Mal vielelicht noch ein bischen mehr, dann vieleicht doch wieder höher" etc? So viel Zeit und Frustrationstoleranz habe ich nämlich eigentlich nicht. Natürlich ist der Klang auch subjektiv, aber es muss doch etwas besseres geben als NUR trial and error....?
Ich hoffe, ihr habt einen Rat!
Viele Grüße
fast-foot
Beiträge: 5624
Registriert: 12. Okt 2008, 15:55
16

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#2

Beitrag von fast-foot »

Hallo Flavia,

bevor sich ein Akustiker meldet, hier meine Sichtweise:

1. Es gibt erschiedene Anpassregeln, welche auf Grund der Eckdaten gegeben durch Reintonaudiogramm, Unbehaglichkeitsschwellen, Anzahl (und Range) der Frequenzkanäle sowie Art und Einstellung der Kompression (hängt auch von der Anzahl der Kanäle ab) eine erste Einstellung definieren.
Diese wird heut zu Tage in der Regel automatisch durch die Programmiersoftware für das Hörgerät vorgenommen.

Dann erfolgt die Feineinstellung auf Grund der Schilderung des Kunden, wobei der Akustiker seine Erfahrung ins Spiel bringt (nicht alle Einstellungen liefern das theoretisch gewünschte Klangbild etc.).

Ausserdem dürfen die Unbehaglichkeitsschwellen nicht überschritten werden, was eine restriktive Einschränkung nach oben bedeutet (wenn man speziell eine bestimmte Frequenz stark hervor heben möchte, muss man unter Umständen alle anderen Frequenzen absenken etc.).

Es ist zwar möglich, eine Software zu schreiben, welche ein Hörgerät auf Grund der Eckwerte und der Schilderungen des Kunden automatisch anpasst. Hierbei klickt der Akustiker von der Software vorgegebene (typische) Optionen und deren (mutmasslichen) Erfülltheitsgrad an.
In Abhängigkeit von den Eckwerten und der aktuellen Einstellung wird eine neue Einstellung berechnet, welche im Idealfall die gewünschten Korrekturen vornimmt.

Da sich mein Programm noch in der Testphase befindet, kann ich hierzu nur sagen, dass erste Versuche (abgesehem von den üblichen zu erwartenden Macken) viel versprechend ausgegangen sind.

Gruss fast-foot
Zuletzt geändert von fast-foot am 12. Jun 2013, 20:14, insgesamt 1-mal geändert.
Ausgewiesener Spezialist* / Name: Wechselhaft** / Wohnsitz: Dauer-Haft (Strafanstalt Tegel) / *) zwecks Vermeidung weiterer Kollateralschäden des Landes verwiesen / **) Name fest seit Festnahme
Nina M.
Beiträge: 1525
Registriert: 9. Jul 2002, 22:18
23
Wohnort: Rhein-Main-Gebiet

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#3

Beitrag von Nina M. »

Vieles geht da tatsächlich nur über ausprobieren und Erfahrung (sowohl des Kunden als auch des Akustikers).
Das Problem ist, wie fast-foot schreibt, dass nicht alle Einstellung zwangsläufig das gewünschte Ergebnis bringen, weil eben jeder Mensch subjektiv anders hört.

Ich selber habe meine Akustikerin früher auch oft in den Wahnsinn getrieben, weil ich z.B. sagte "das klingt so dumpf", sie hat es daraufhin "heller" eingestellt, ich jammerte, dass es noch dumpfer klingt... Irgendwann stellte sie es daraufhin einfach mal noch dumpfer ein und dann fand ichs besser. ;-)
Heute schmunzelt sie darüber und sagt oft, dass sie heute bei manchen Kunden dann genau das auch ausprobiert und es tatsächlich manchmal klappt. Also eben Erfahrungswerte.

Aber ohne rumprobieren gehts leider nicht. Wie du ja selber auch festgestellt hast, war "lauter" bei dir z.B. nicht besser obwohl es das laut objektiver Messung hätte sein müssen...

Gruß,
Nina
Schwerhörig seit dem 11. Lebensjahr, beidseitig mit CI's versorgt (1. CI 6/2003, 2.CI 10/2006)
Flavia

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#4

Beitrag von Flavia »

Vielen Dank für die Anmerkungen.
Ich frage mich nur, ob es nicht objektive Kriterien gibt um zu sagen, dass bestimmte Lautstärken bei bestimmten Frequenzen andere (höhere) Frequenzen überlagern. Oder ist das auch individuell?

Viele Grüße

Flavia
JND
Beiträge: 289
Registriert: 1. Jun 2010, 19:38
15

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#5

Beitrag von JND »

Hallo Flavia,

diese Überlagerung ist individuell. Je nach Zustand der äußeren Haarzellen gibt es mehr oder weniger Überlagerung. Zusätzlich ändert sich die Überlagerung auch in Abhängigkeit von der Lautstärke (Wird stärker).

Je nachdem, wie genau die Filter und die Verstärkung in den Hörgeräten implementiert ist, ändert sich die Überlagerung von hohen oder tiefen Frequenzen. (Deswegen gibt es von den Hörgerätefirmen auch jeweils noch angepasste Anpassformeln).

Schöne Grüße,
JND
SabineGast

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#6

Beitrag von SabineGast »

Hallo Ihr,

es gäbe noch eine andere Methode die Geräte einzustellen, als sich einfach auf die Anpasssoftware der Hersteller zu verlassen.

Hierbei kommt ein kleiner Schlauch ins Ohr der die Verstärkung die direkt vor dem Trommelfell misst. Die Verstärkung die dort nämlich wirklich ankommt ist bei zwei Menschen mit dem komplett identischen Hörverlust mit der gleichen Voreinstellung nämlich anders (aufgrund des Gehörgangsverlaufs und der Länge des Ohrstücks). Mit Hilfe dieser sogenannten Insitu-Anpassung ist es zumindest möglich mal zu überprüfen was wirklich ankommt von der errechneten Verstärkung und kann die Verstärkung dann dementsprechend korrigieren (um dies mal möglichst einfach auszudrücken). Ich bin großer Fan von dieser Variante und stelle es jedem Kunden per Perzentilanalyse Insitu ein :-)

Das Gerät muss dann nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht mehr so oft nachgestellt wie mit einer rein subjektiven Anpassung.
Sprich deinen Akustiker doch einfach mal darauf an, die meisten Akustiker (ich behaupte mal fast alle) haben eine Insitu-Anlage.

Liebe Grüße und viel Erfolg!
santiago
Beiträge: 734
Registriert: 26. Feb 2011, 08:46
14

Re: Einstellung nach Gefühl oder gibt es eine bessere Methode?

#7

Beitrag von santiago »

Hallo!
Zum grundsätzlichen Programmiervorgang hat fast-foot eh schon viel geschrieben und daher nur schnell ein paar Gedanken über meine letzte HG-Anpassung.

Ausgehend von der durch meine Hörkurven bestimmten Standardprogrammierung habe ich rückblickend gesehen die meiste Zeit weniger für den individuellen Verstärkungsgrad einzelner Frequenzbereiche oder die Lautstärke sondern hauptsächlich für die Programmierung der "Features" (SoundRecover, Kompression, Telefonspule, DuoPhone) benötigt.

Als hochgradig SH beeinflusste die Programmierung von Frequenzverschiebungsfeatures oder der Kompressionsgrad mein Sprachverständnis/Klangkomfortgefühl :} stärker als die Verstärkung einzelner Frequenzbereiche oder der Lautstärke. Dies mag aber auch nur ein Tribut für die Komplexität digitaler HG wie meine Naidas sein und muss natürlich nicht allgemeingültig sein. Immerhin haben die teuersten HG die Möglichkeit viele der tollen Klangfeatures auf Kundenwunsch wieder zu eliminieren :lol:

Mein Anpassvorgang dauerte jedenfalls einige Monate und ca. 10-12 Programmiervorgänge. Vielleicht ist es hilfreich wenn Du Dir genau aufschreibst z.B. in welchen Situationen Du Probleme hast und diese Dokumention dann mit dem Akustiker "durcharbeitest"?

Gruss
santiago
Antworten