Für jemanden, der aktuell vor dieser Frage steht, ist es daher sehr mühsam, sich daraus selbst eine Meinung zu bilden.Ohrenklempner hat geschrieben: ↑16. Feb 2022, 11:57 …
Falls noch jemand Fragen zum Thema Batterie oder Akku hat, kann man ja auf diesen oder eines dieser 17 anderen Themen verweisen:
…
Hier gibt es für jede Version sehr überzeugte Verfechter. Tatsächlich ist es aber eine sehr individuelle Entscheidung. Deshalb möchte ich hier nur die allgemeinen Fakten aufzählen, die eine Rolle spielen können.
(Die Erfahrungen mit einem speziellen Hörgeräte-Typ gehören in separate Threads.)
Technik und Handhabung:
Hörgerätebatterien sind Zink-Luft-Knopfzellen. Sie haben eine sehr hohe Energiedichte und die Spannung von ca. 1,4 Volt bleibt bis zum Ende der Entladung nahezu konstant.
Die Luftlöcher am Pluspol von neuen Batterien sind mit einer Schutzfolie abgeklebt um den Zutritt von Luft zu vermeiden.
Gängige Typen – Farbe – Durchmesser x Höhe in mm – Kapazität:
10 – gelb – 5,8 x 3,6 – 100 mAh
312 – braun – 7,9 x 3,6 – 180 mAh
13 – orange – 7,9 x 5,4 – 310 mAh
675 – blau – 11,6 x 5,4 – 650 mAh
Kurz vor Ende der Batterielaufzeit (im Durchschnitt nach 5 – 7 Tagen) gibt das Hörgerät normalerweise ein akustisches Signal. Zum Austausch wird das Batteriefach geöffnet.
Vor dem Einlegen der neuen Batterie ins Hörgerät die Schutzfolie abziehen und dann zur Aktivierung idealerweise noch ca. eine Minute atmen lassen.
(Nach Abziehen der Folie leeren sich die Batterien auch, wenn sie nicht genutzt werden.)
Über Nacht sollte man das Batteriefach öffnen, um es auszuschalten.
Sicherheitshalber sollte man unterwegs immer zwei Ersatzbatterien dabei haben.
Für Menschen mit Sehstörungen oder motorischen Einschränkungen kann der Batteriewechsel schwierig sein.
Bei Akkus für Hörgeräte unterscheidet man zwischen austauschbaren und integrierten.
Austauschbare Akkus werden wie Hörgerätebatterien gehandhabt und sind in denselben Größen erhältlich.
Es sind üblicherweise Nickel-Metallhydrid-Akkus mit 1,2 Volt Spannung.
Gängige Typen und ihre Kapazität: 10 – 12 mAh, 312 – 22 mAh, 13 – 33 mAh, 675 – 70 mAh.
Zwei solcher Akkus kosten ab ca. 20 €, ein Ladegerät knapp 100 €.
Nicht jedes Hörgerät ist für den Betrieb mit Hörgeräteakkus geeignet! Anhaltswert: Wenn eine Batterie im Hörgerät 10 Tage hält, sind Akkus als alternative Stromquelle überlegenswert.
Schwerpunkt der Diskussionen sind hier aber inzwischen integrierte Akkus. Das sind Lithium-Ionen-Akkus, die vom Hersteller fest im Hörgerät verbaut sind und mit passendem Ladegerät angeboten werden.
Durch den Wegfall des beweglichen Batteriefachs sind die Hörgeräte besser gegen Schmutz und Feuchtigkeit geschützt.
Üblicherweise geben die Hersteller für die Leistungsfähigkeit der Akkus nicht deren Kapazität (mAh) an sondern die tägliche Betriebsdauer, die aber sehr stark vom Nutzungsverhalten abhängt.
Im Neuzustand halten die Akkus mindestens 24 Stunden ohne Streaming.
Aktuell sticht das Signia das Pure Charge&Go T AX (mit T-Spule) besonders hervor: laut Signia hält der Akku bis zu 36 Stunden inklusive 5 Stunden Streaming.
Allerdings altern Akkus im Laufe der Zeit insbesondere durch die Ladezyklen, d. h. sie verlieren an Kapazität. Im Idealfall hat man nach 2.000 Ladevorgängen (bei täglichem Laden 5,5 Jahre) noch 80% der ursprünglichen Kapazität zur Verfügung.
Da integrierte Akkus noch nicht lange auf dem Markt sind, liegen noch keine Langzeiterfahrungen vor.
Die Hörgeräte wurden bisher nur unter beschleunigten Laborbedingungen getestet.
Deshalb sollte man sich vor dem Kauf über verbindliche Angaben des Herstellers – insbesondere Garantie – informieren.
In der Regel werden die Hörgeräte jede Nacht geladen. Dazu werden sie einfach in die zwei Steckplätze des Ladegerätes gesteckt und der Ladevorgang startet vollautomatisch. Nach etwa 3 Stunden sind die Akkus wieder voll geladen.
Falls die Kapazität z. B. für einen langen Tag nicht ausreicht, hilft die Schnellladefunktion: mit nur einer halben Stunde in der Ladestation bekommt man Energie für weitere 3 bis 6 Stunden.
Für unterwegs gibt es Ladestationen mit integrierter Powerbank oder man schließt die Ladestation per USB-Kabel an eine separate Powerbank an.
Sollte der Akku irgendwann nicht mehr für einen üblichen Tag ausreichen, muss er ausgetauscht werden. Bei einigen Herstellern kann das der Akustiker machen, bei den anderen muss das Hörgerät eingeschickt werden.
Energieverbrauch der Hörgeräte:
Der tägliche Energiebedarf der Hörgeräte ist bei der Batterie-Version entscheidend für die Höhe der Betriebskosten und bei der Akku-Version für die erforderliche Kapazität.
Dafür spielt es eine Rolle, wie viele Stunden am Tag sie benutzt werden und wie stark der Hörverlust ist d. h. welche Verstärkung benötigt wird.
Aber vor allem das Streaming (Telefonieren, Fernsehen, Musikhören) per Bluetooth (normal oder LE) ist ein Großverbraucher.
Für die Batterie-Version lässt sich der Energiebedarf leicht abschätzen.
Beispiel eine 312er (180 mAh) hält 5 Tage, d. h. pro Tag wird durchschnittlich 36 mAh benötigt.
Wenn man bei der entsprechenden Akku-Version 20% Kapazitätsverlust (wegen der Alterung) ansetzt, müsste der Akku im Neuzustand mindestens 45 mAh besitzen.
Allgemeiner: wenn man die Akku-Version testet, sollte am Ende eines typischen Tages der Akku noch mindestens 20% Kapazität haben – oder man ist bereit, tagsüber nachzuladen.
Kosten:
Für die Batterie-Version ist der Batterieverbrauch entscheidend.
Beispiel: die Batterien halten 5 Tage, bei beidseitiger Versorgung sind das 146 Batterien pro Jahr, bei 15 € für 60 Stück macht das 36,50 € pro Jahr (halten die Batterien 7 Tage: 26 €/Jahr).
Bei 5 Tage-Batterien und einer Nutzungsdauer von 6 Jahren fallen also 220 € Kosten an.
Für die Akku-Version mit Ladegerät sind zunächst die Mehrkosten bei der Anschaffung entscheidend – und damit abhängig vom HG-Modell und dem Aku-Betrieb.
Es ist wohl realistisch für beidseitige Versorgung mit Mehrkosten von 200 € bis 600 € zu rechnen.
Falls in der Nutzungszeit der Hörgeräte (nach Ablauf der Gewährleistung) ein Akkutausch notwendig wird, muss man noch zusätzlich mit 50 bis 200 € pro Ohr kalkulieren.
Den Stromverbrauch für die tägliche Aufladung von 2 Hörgeräten setzt Signia in seiner Umweltstudie (s. u.) mit 1 Wh an. Das ergibt in 6 Jahren 2,2 kWh und ist damit wohl vernachlässigbar.
Fazit: Da der Batterieverbrauch und die Preise sehr unterschiedlich sind, muss jemand, dem der Kostenvergleich wichtig ist, mit seinen individuellen Fakten selber rechnen.
Umweltfreundlichkeit:
Sowohl Lithium-Ionen-Akkus als auch Zink-Luft-Batterien enthalten umweltschädliche Stoffe und gehören nicht in den Hausmüll. Die Batterien können allerdings zu 98% recycelt werden während das Recycling der Akkus sehr aufwändig und daher unwirtschaftlich ist.
Allerdings verbraucht man bei Batterien, die 5 Tage halten, in 6 Jahren rund 440 Stück pro Ohr und zusätzlich noch eine Menge Verpackungsmüll (Blister) – aber nur höchstens zwei Akkus.
Signia hat eine umfangreiche Studie für den Vergleich anfertigen lassen (danke Blümle):
https://www.signia-pro.com/de-de/news/l ... ssessment/
Kurzfassung: die wiederaufladbaren Signia-Hörgeräte belasten die Umwelt um 65 % weniger als die batteriebetriebenen.
Die dort angesetzten Bedingungen sind durchaus realistisch: 2 Hörgeräte 12 Stunden täglich,
Nutzungsdauer 5,5 Jahre, die Batterien halten 6 Tage, tägliche Aufladung der Akkus mit 1,03 Wh Energieverbrauch und 15% der Akkus müssen getauscht werden.
Sicherlich können die Ergebnisse nicht 1:1 auf die Hörgeräte anderer Hersteller und andere Hörgewohnheiten übertragen werden. Aber es ist wohl unzweifelhaft, dass die Akku-Hörgeräte hinsichtlich Umweltbelastung eindeutig überlegen sind.
Laut einer Prognose werden im Jahr 2025 90% der verkauften Hörgeräte akkubetrieben sein.
Sachliche Korrekturen und Ergänzungen sind herzlich willkommen!