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Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 09:47
von chefkoch82
Hallo zusammen,

zu Anfang lasen sich die markigen Werbeversprechen der Hörgeräteindustrie für mich als Neuling sehr verlockend: So klein, verschwinden quasi hinter dem Ohr, fast unsichtbares Kabel ins Ohr, Schirmchen statt klobiger Otoplastik, etc.

Also quasi ein heimliches Schwerhörigendasein. Keiner weiß was, keiner sieht was, aber man hört perfekt. Ein Traum?

Dass einiges hiervon reines Marketingeschwurbel ist, kann man sich vorab an einer Hand abzählen. Was bleibt ist für mich persönlich nach einiger Zeit eine ganze Reihe an Nachteilen des o.g. Miniaturisierungswahns und viel Ernüchterung:

- Die ach so dezenten Schirmchen sitzen nicht sauber und es müssen doch Otoplastiken her.

- Zwischen Otoplastik und Hörer sammelt sich munter der Ohrenschmalz, einfach mal in Wasser einweichen? Ach, geht ja logischerweise nicht.

- In dem feuchtwarmen Milieu aus Ohrenschmalz und Schweiß sitzen Hörer, die fleißig ausfallen, Filter die verstopfen…

- Durch die kleine dezente, quasi unsichtbare Bauform *hüstel* gelingt es mir nur mit Mühe, den Telefonhörer ans Mikrofon zu halten. In aller Regel „klappe“ mich mir mit dem Telefon das Ohr um das Mikro herum, also ist erstmal Stille angesagt und nichts mit ungetrübtem Telefongenuss.

- Ach ja - Stichwort Telefon: Unbeschwertes Streamen direkt vom iPhone ins Hörgerät? Klar - die großzügig dimensionierte 312er Batterie gibt hierfür alles. :lol:

- Für eine saubere Optik der Gehäuse werden einfach Tasten mehrfach belegt. Kurz drücken für Lautstärkenwechsel und eine Millisekunde länger für Wechsel des Programms wird ja wohl noch jeder hinbekommen, oder?

Klar, vieles ist jetzt übertrieben dargestellt. Aber nach einiger Zeit mit meinen RIC Geräten schiele ich doch teilweise „neidisch“ auf die Power Geräte einer Freundin:

- HDO Gerät: Der Schlauch ist ein Centartikel, die Otoplastik kann abgenommen werden und bis zum Sanktnimmerleinstag eingeweicht werden.

- Durch die größere Bauform trifft das Telefon auch auf ein Mikro

- Großzügigere Batterien

- Einzelne Tasten für Lautstärke, Programm, etc.

Warum bekomme ich diese Gehäuse in den „Top-Baureihen“ nicht für alle Hörverluste?

Irgendwie drängt sich für mich der Vergleich mit der Autoindustrie auf: Optik geht über Funktion, Anfälligkeit vor Alltagstauglichkeit.

Welchen Sinn diese Zeilen haben? Keine Ahnung - glaube, ich muss mich einfach mal aus******.

Grüße von einem eigentlich technikbegeistertem u40 Jährigen :lol:

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 11:00
von Dani!
Welchen Sinn diese Zeilen haben? Ganz einfach: Du sprichst mir aus der Seele.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 12:07
von Ohrenklempner
Werdet mal erwachsen. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Bei mir im Laden ist jedes zweite Gerät ein RIC. Und warum? Weil die Leute das toll finden (ich auch), haben möchten und damit zufrieden sind. Fertig.

Warum gibt es überhaupt Schlagermusik, Kunstausstellungen, Sportwagen und Tofuwürstchen, obwohl ich das gar nicht mag? Hmm, komisch.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 12:53
von Rondomat
Tja, ich finde diesen Miniaturisierungswahn (welch ein Wort ...) auch nicht hilfreich. Was will man damit erreichen? Dass man sich beim Tragen solcher Minis besser fühlt, weil man seine Hörschwäche besser verstecken kann? Das ist wohl der einzige "Vorteil" dieses Trends.

Warum eigentlich? Viele Menschen haben ein Problem damit, zunächst sich selbst und auch anderem Menschen gegenüber einzugestehen, dass sie ohne Hörgerät einfach nicht mehr in der Lage sind, gut zu kommunizieren. Unsere Leistungsgesellschaft möchte, wie der Name schon sagt, leistungsfähige Menschen, alles gesund, alles fit, alles easy, alles work-life-ausbalanciert ...

Da stört die auf den ersten oder auch zweiten Blick sichbare Hörhilfe.

Gut, aus einer Brille kann man noch etwas nerdiges, verschrobenes, modisches oder auch nur eine besondere Macke gestalten, hinter der sich letztlich aber auch nur eine mehr oder weniger starke Sehschwäche verbirgt. Aber bei den Brillen ist das ok, macht man seit über 100 Jahren so. Wer hat in alten Tagen nicht schon mal ein John-Lennon-Nasenfahrrad anprobiert und sich damit gleich viel besser gefühlt? Hier ging es mehr um den Look und nicht nur allein um das bessere Sehen.

Wer jedoch einfach nur wieder besser hören und vor allem besser verstehen möchte, sich mit dem Tragen und der Sichtbarkeit seiner Hörhilfen arrangiert hat, findet jedoch kaum noch Hörgeräte, die sich einfach bedienen lassen.

Vor allem ältere Menschen, die motorisch nicht mehr so auf der Höhe sind, müssen sich nun mit kleinen Geräten herumschlagen, da mangels gut erreichbarer oder gar nicht mehr vorhandener Bedienmöglichkeiten.

Dafür wird die Bedienung sehr schick auf eine App ausgelagert, welche ältere Menschen mangels Smartphone nicht immer nutzen können oder wollen, u. a. weil damit auch immer etwas Abhängigkeit von damit affinen Familienangehörigen verbunden sein kann und im Zweifel dann doch nicht getragen werden, weil man damit nicht klar kommt. Alles schon passiert.

Ich denke, man muss nicht alles (immer kleiner) machen, nur weil es möglich ist.

Gut Hören und Verstehen ist auch immer ein Miteinander - so muss ich für ausreichend gute Hörhilfen sorgen, und mein Gegenüber sollte mir im Idealfall trotzdem soweit wie möglich entgegen kommen: Mundbild, langsamer und deutlicher sprechen .... aber dazu muss mein Gegenüber aus wissen, woran er ist. Mit versteckten Hörhilfen muss ich hin und wieder entweder auf meine trotzdem noch vorhandene Einschränkung hinweisen, wenn es mal wieder doch nicht so gut mit dem Verstehen geklappt hat oder ich sage gleich von vorherein Bescheid.

Ich selbst habe als CI-Träger kaum eine Chance, die grossen Dinger mitsamt der Verkabelung unsichtbar zu machen. Ich könnte mir die Haare drüberwachsen lassen - aber warum? So kann ich auf die Frage antworten, was ich denn da für grosse Dinger trage, dabei gleich etwas Aufklärung betreiben.

Und selbst bei den grossen CI-Sprachprozessoren ist das so ein Trend: Zumindest meine Sonnet's haben keinerlei Bedienteile mehr, trotz der Grösse - der Grund hierfür liegt u. a. im Feuchtigkeitsschutz.

Da zeige ich doch lieber gleich offensiv, worum es geht. Hörgeräte sind ja optisch keine orthopädischen Strümpfe für die Ohren mehr heutzutage - da kann man doch schon mal aus sich raus gehen! Deshalb: Nur Mut dazu!

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 14:02
von Blümle
Ich finde es toll, wenn HG und ggf. die erforderliche Otoplastik so klein und unauffällig wie möglich sein können. Geht leider nicht in jedem Fall. (Ohne Kralle wird das bei mir wohl nix werden, was ich schade finde, aber einsehe).Mir genügt es völlig, diese Behinderung offensiv zu kommunzieren, damit habe ich kein Problem, überhaupt gar nicht. Ich brauch die Dinger wirklich nicht als Demonstrationsobjekte, um der Gesellschaft ihren noch immer vorhandenen Mangel an Inklusionsvermögen vorzuführen. Und für eine relativ gute Unsichtbarkeit nehme ich auch eine etwas kniffligere Bedienbarkeit sehr gerne in Kauf. Ich finde mich selbst einfach ohne jegliche Deko am Körper, egal ob Schmuck oder Hilfsmittel gegen Behinderungen (HG, Brille) am wohlsten und hübschesten. Aber wenn jemand lieber was großformatiges, bedienungsfreundlicheres haben mag, so sollte das natürlich weiterhin erhältlich sein.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 14:34
von Ohrenklempner
Genau so ist es... wenn jemand mit geringgradigem Hörverlust gerne einen schönen fetten Brummer mit 675er Batterie haben möchte, dann geht das natürlich. Aber wenn jemand gerne ein kleines schickes Hörgerät haben will, soll ich dann etwa sagen: Du kriegst das nicht, weil ich das doof finde!? :lol:

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 19:13
von svenyeng
Hallo!

Also ich hab auch kein Problem damit wenn die HGs etwas größer sind.
Ich hatte bei meinen Resound Linx 3D 9 damals die Wahl zwischen 312er Gehäuse und 13er.
Ganz klar haben ich die etwas größeren 13er Gehäuse gewählt. Auch der Akustiker empfahl mir das, weile die besser sein sollen.
Der Vorteil ist, das die 13er Batterien auch länger halten.
Auch ist es nicht so eine friemelei mit den 13er Batterien.

Gruß
sven

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 19:41
von Nanni
Bei mir müssen nicht nur die Hörgeräte hinters Ohr, sondern auch noch die Brille, da wird es dann irgendwann eng. Mehr Hörgerät heißt auch mehr Gewicht, was man mit rumschleppen muss und was hinter dem Ohr drückt.
Deswegen habe ich mir auch eine leichtere Brille mit dünnen Bügeln besorgt.
Bei mir weiß aber auch so ziemlich jeder, dass ich Hörgeräte brauche, weil ich offen drüber rede und meine neuen knallrot sind; da wird nix versteckt.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 1. Dez 2020, 22:01
von Espresso
Also mich ärgert es, dass Phonak die aktuellen Audeo nicht mehr mit 10er Batterien anbietet

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 04:12
von Dani!
Ohrenklempner hat geschrieben:Genau so ist es... wenn jemand mit geringgradigem Hörverlust gerne einen schönen fetten Brummer mit 675er Batterie haben möchte, dann geht das natürlich. Aber wenn jemand gerne ein kleines schickes Hörgerät haben will, soll ich dann etwa sagen: Du kriegst das nicht, weil ich das doof finde!? :lol:
Welchen Brummer mit 675er könntest du da mittelgradigen Schwerhörigen empfehlen? Selbst mir rauschen die Resound Enzo2 meine Ohren weg. Phonak Naida B SP waren für mich gut aber leider halt doch nur mit 13er zu haben. Die UP rauschten auch.

Wer die HGs einschaltet und sie tagsüber nicht verstellen muss, dem taugen auch kleinstgeräte. Also allein schon allen, die ihre Kassengeräte und auch mit Zuzahlung für 24h täglich zu Hause vergessen. Das sind leider mehr in meinem Kollegenkreis als mir lieb ist.

Es geht aber mittlerweile auch anders. Es gibt vor allem in England eine große Fangemeinde für Stickertapes, um die HGs möglichst interessant aufzubrezeln. Wers klein *braucht* hat seine Behinderung einfach nicht akzeptiert (mal abgesehen von kleineren Ohren) Dass der Akustiker die Kundennachfrage bedient ist logisch.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 07:14
von Michaela Ender
Also ich habe die starkey imohr Geräte und finde sie echt stylisch
Mann sollte offensichtlich damit umgehen negative Bemerkungen bekommt man nur von dummen Menschen, die meisten Menschen finden es cool was die Teile heute schon leisten können
Anbei ein paar Fotos in Action

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 07:17
von Michaela Ender
Und wer wissen will warum unbedingt im Ohr Geräte, einfach weil die wesentlich praktischer im Umgang mit einem Mns ist:)

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 07:37
von Treehugger
Gegen einige deiner Einwände kannst du ja selber was machen.

Du musst ja kein RiC Modell nehmen
Du kannst ein Modell nehmen wo ein grössere Batterie reinpasst

Ob Schirmchen oder Otoplastiken ist dir ja auch überlassen
Die Hörer kann man doch meist aus der Otoplastik rausnehmen (Geht nicht immer), dann kannst du die auch einweichen

Ich bin eben wegen der Brille froh, das ich nicht so grosse HG habe, das muss alles hinters Ohr passen.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 08:53
von chefkoch82
Ohrenklempner, ich glaube da ist etwas falsch rübergekommen. Bin schon erwachsen und möchte auch nicht, dass jeder Modern Talking hört (wäre bei vielen sicherlich auch nicht gut für die seelische Gesundheit. :lol:

Aber Spaß beiseite:

Wenn ich auf die Hersteller Homepages schaue (in meinem Fall Oticon) Wars damals so: „Für leichte bis mittelgradige Hörverluste (OPNs als RIC), „für schwere bis hochgeradige Hörverluste“ (OPN als HDO). Feierabend.

Damit wird doch für mich als Kunde die Vorauswahl getroffen „Du hörst jetzt Schlager, Schlager ist gut für Dich. Mit Techno kannst Du nix anfangen“.

Mir wäre es bei einer Anschaffung in dieser Größenordnung lieber man spiele mit offenen Karten: „Guck hier, die sind klein, unauffällig, Du musst aber rechnen, dass öfter mal etwas kaputt geht und sie nicht so leicht zu bedienen sind“ vs. „Wir haben auch die hier, die sieht man etwas mehr, dafür sind sie robuster“.
Beratung in diese Richtung gab es bei mir zumindest nicht.

Ich hätte gerne mit einem leicht bis mittleren Hörverlust das OPN 105 anstelle des RITE Mini T genommen, hätte ich von der Möglichkeit gewusst. Das minimal größere Gehäuse hätte ich für die robustere Technik gerne in Kauf genommen. Und ob jetzt ein Schlauch oder ein nicht sauber liegendes Kabel weniger auffällt - naja ich finde darüber kann man auch streiten.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 2. Dez 2020, 23:44
von AlfredW
Hallo,

meines Wissens bestimmt doch der Hörschaden, welches HG notwendig ist. Und wie die Versorgung gestaltet werden muß. Ich mit meiner an Taubheit grenzenden SH habe da doch gar keine Wahl.
Jedenfalls hat mir das noch kein Akustiker gesagt probier doch mal IO-Geräte oder eine offene Versorgung mit Ex-Hörern.
Manche Posts suggerieren man hätte die freie Wahl bzgl der HG.

Gruß

Alfred

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 3. Dez 2020, 06:54
von Ohrenklempner
Manche Bauformen eignen sich nicht für alle Hörverluste, das stimmt, z.B. ein IdO für WHO4-Fälle. Aber man könnte auch Exhörergeräte nehmen.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 3. Dez 2020, 13:57
von rabenschwinge
Hmm, für mich persönlich müssen die Hörgeräte schon lange nicht mehr klein und unauffällig sein.
Die Kontaktlinse für´s Ohr brauche ich nicht. Auch wenn sich bei mir der Platz hinter den Ohren das HG und der Brillenbügel teilen müssen und bei mir alles etwas kleiner ist. Es geht und das auch bequem.

Ich versteck doch meine Brille auch nicht, warum also das Hörgerät? Ich kann schlecht hören - ja und? Ich kann auch gut schlecht gucken und unter den normalgroßen Menschen bin ich klein.

Versteck ich doch auch nicht.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 3. Dez 2020, 14:29
von Turi
Ich denke, dass einige welch ein Hörgerät nötig hätten, zu spät dran sind, weil sie im Hinterkopf die grossen Dinger vom Opa haben und dies nicht wollen. Von daher machen kleine Geräte durchaus Sinn.
Ich habe enganliegende Ohren und trage Brille, da bin ich um schmale auch froh, jetzt mit Mütze und auf Skiern mit Helm sowieso.
Es spricht für mich aber auch nichts dagegen Grosse zu tragen in schöner Farbe als Accessoire, jedem das Seine.

Re: Miniaturisierungswahn - bin ich der Einzige den das nervt?

Verfasst: 3. Dez 2020, 15:40
von Ohrenklempner
Eine Frage des Geschmacks, und über den lässt sich nicht streiten.