Hallo liebe Emilie,
jetzt hab ich mich doch extra angemeldet, um dir antworten zu können (später will ich mich selbst kurz beschreiben im passenden Thread).
Der Umgang mit Hörschädigung ist generell sehr schwer, und zwar nicht nur für den Betroffenen selbst. Der Mensch ist ein 'Rudeltier' und wir brauchen einander, um uns 'ganz' zu fühlen. Mal von der Sicherheit in Gruppen abgesehen.
Ich bin sozusagen von Geburt an schwerhörig gewesenund habe in meinen jungen Jahren besonders darunter gelitten, nicht überall 'mitzukommen'. Tatsächlich ist es wie ein Hinterherrennen gewesen, nach dem was gesagt wurde, worüber gelacht oder geschimpft wurde. Nirgends konnte ich mich integrieren, da ich nicht Hör-, sondern Kommunikationsbehindert war - und das zu Zeiten ohne Internet, Smartphones, usw. Aber genau darum geht es, um soziale Integration und diese ist nur durch Kommunikation möglich. Wir bleiben der 'ewige Ausländer in der Heimat', weil wir wie Fremde am Rand stehen und zuschauen, wie die Andern sich unterhalten. Das tut richtig weh!
Heute bin ich 50 Jahre alt und taub, aber mit
CI versorgt. Dadurch konnte ich einen 'Blick' in die Welt der Hörenden werfen, weil ich innerhalb eines halben Jahres quasi zur Normalhörenden wurde. Jetzt verstand ich, warum mir auf die Frage 'wie bitte?' oft geantwortet wurde, 'ach so wichtig war das nicht!'
Aber davon will ich dir gar nicht schreiben, vielmehr will ich dir versuchen zu erklären, wo dein Problem womöglich liegt, und welche Strategien du ausprobieren kannst. Tatsächlich ändert sich mit einer Hörminderung das ganze Leben eines Menschen und dessen Umfeld.
Die Hörschädigung, äusserlich unsichtbar, lässt uns in einer Art Grauzone leben, in der wir uns wohl selbstständig versorgen können, aber das oft nur am Rande der Gesellschaft, in der wir leben. Die Einsamkeit unter Hörgeschädigten ist weltweit eine traurige Nebenwirkung. Das Problem ist, dass unsere Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist, aber diese brauchen wir so dringend, um uns auf verschiedenen Ebenen mit unseren Mitmenschen austauschen und verbinden zu können.
Was vollkommen unsichtbar für Aussenstehende bleibt, ist die Art und der Grad unseres Hörschadens. Wir selbst können selten abschätzen, wann wir besser hören, und wann nicht. Früher hörte ich mit Hörgeräten manchmal richtig gut, und dann wieder richtig schlecht. Mir fiel das selbst jahrzehntelang nicht auf und es brachte mir viel Ärger und Traurigkeit. Ich hatte das Gefühl, keine Kontrolle darüber zu haben, was ich hören wollte oder was nicht. Ich war eine akustisch Verdurstende, die jedes Wort aufsaugte und stundenlange Monologe darüber halten konnte. Nur so, bildete ich mir ein, würde ich ein gutes Gespräch haben, weil ich die Themen steuerte.
Nach vielen Schicksalsschlägen, die ich überwunden und überdacht habe, bin ich heute so weit, dass ich sagen kann, das Problem im Umgang mit der Hörschädigung kann niemals alleine gelöst werden, sondern immer nur im Austausch mit 'den Anderen'.
Wie sieht das aus? Zum Einen muss man wissen, was das Wort Kommunikation bedeutet. Es bedeutet Austausch von Informationen. Über dieses Begriffsverständnis habe ich erkannt, dass ich mich selbst nie wirklich kommuniziert habe, was meinen Hörschaden betrifft. Das heißt, man kann sich einen Wolf erklären, sodass der Andere es sogar versteht. Schlussendlich bleibt der Alltag, in welchem dieses 'Wissen' um den Hörgeschädigten wieder verloren geht. Das Leben geht weiter! Wie bitte? Ach, nicht so wichtig!
Diese Art, meine Hörbehinderung zu kommunizieren hat mich also immer wieder in die Sackgasse geführt. Nur erklären und nachfragen ist keine förderliche Strategie, weil wir so ein falsches Bild von uns zeigen. Hey, mit mir ist alles ok, geht schon, passt schon. Sackgasse.
Heute weiß ich also aus eigener leidvoller Erfahrung, dass ich meinen Hörschaden dann kommunizieren MUSS, wenn er gerade 'passiert', und zwar jedes Mal, ohne Ausnahme. Keiner hat etwas davon, wenn der 'Gesprächspartner' so tut, als käme er gut mit. Es ist zudem sehr unhöflich einem Menschen gegenüber, ihn reden zu lassen, ohne ihm zu zeigen, hey stopp, ich komm grade nicht mehr mit. Zum Einen zeigen wir so nämlich, du das interessiert mich, was du erzählst; und wir zeigen, wo unsere 'Hörlücken' waren. Nur so hat der Normalhörende eine Chance, zu erkennen, wo und wie es bei uns hakt. Eine andere Möglichkeit habe ich nicht gefunden.
Das andere Signal, das wir dem Hörenden unbedingt geben müssen, ist wenn z.B. die Umbebung das Hören (auch mit Hörhilfen) erschwert. Sei es zu laut, zu hallig, zu weit weg, was auch immer gerade störend ist.
Seit ich diese beiden Signale immerzu gebe, sagen ab wann ich aus dem Gespräch rausfliege und sagen, dass ich eine ruhigere Ecke brauche, bekomme ich Unterstützung von allen Seiten! Ich bin oft noch erstaunt, wie leicht man Menschen sensibilisieren kann, und wie kreativ sie werden, wenn sie mich sprechen wollen. Noch nie ist mir einer davongelaufen, nur weil ich oft unterbrechen musste, mit 'wie bitte', oder weil ich um eine ruhigere Ecke gebeten habe. Nein, im Gegenteil. Der Mensch, der UNS etwas mitteilen will, will dass wir das wissen, und wo oder wie wir das aus seinem Munde erfahren, ist ihm dann auch egal. Verstehst du was ich meine? Jeder ist so.
Also, um es zusammenzufassen:
Im Umgang mit Hörschäden bringt es Niemanden weiter, wenn derjenige, der kaum folgen kann, dies nicht kommuniziert, also austauscht (zumindest da, wo es erforderlich ist, wie Arbeit, Familie, Freunde). (Schlecht zu hören ist eine Behinderung und keine Schwäche oder Faulheit)
Wer eine sichtbare Hörhilfe trägt, signalisiert, dass das Hörproblem behoben ist, was leider nicht stimmt. Also muss ich das selbst deutlich machen, wenn mir die Umgebung für ein Gespräch zu laut ist, oder das Telefon zu leise. Nur wenn ich diese Signale aussende, kann der Andere sie auch einschätzen und berücksichtigen. Schweige ich, nehme ich mir und dem Anderen viel weg, und spiele nur Theater.
Ausserdem, überleg mal: Du erzählst einer neuen Freundin eine bewegende Geschichte aus deinem Leben, und fragst sie dann etwas dazu. Wie fühlst du dich, wenn sie dir dann beichtet, dass sie dir nicht folgen konnte, weil du zu schnell geredet hast? Ist das nicht, wie eine Faust in die Magengrube? Warum sollten wir das unseren Freunden und Mitmenschen antun?
Also, probier mal diese beiden Signale deutlicher zu setzen, und schaue zu, was passiert. Vielleicht findest du aber noch eine viel bessere Strategie, dann immer her damit
Liebe Grße
Hanna