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Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 5. Sep 2015, 12:55
von Encantar
Ich arbeite momentan seit drei Jahren, bin studierter Informatiker und denke auch dass ich in meinem Job ganz gut bin. Hatte nach meinem Studium auch recht schnell einen Job gefunden. Ich arbeite im öffentlichen Dienst und bin auch bei meinem Vorstellungsgespräch recht offen mit meiner Schwerbehinderung und Schwerhörigkeit umgegangen. Das war für meine Chefin und die anderen Kollegen auch kein Problem. Bin auch dort gut integriert. Allerdings haben wir vor einem Jahr einen anderen Chef bekommen, der mir dezent angedeutet hat dass er ein Problem mit meiner Schwerbehinderung hat.

Jetzt ist die Sache die, dass ich nur einen auf drei Jahre befristeten Vertrag hatte und dieser nicht verlängert wurde. Normalerweise bekommt jeder bei uns die erste Vertragsverlängerung. Nun ist es so, dass ich mich erneut bewerben muss, und in meinen Bewerbungen auch meine Schwerbehinderung angebe. Es lohnt sich durchaus wegen 5 Tagen Zusatzurlaub, Freibetrag und Kündigungsschutz.

Nun ist es aber so dass ich nur Absagen bekomme, obwohl ich eigentlich einen ordentlichen Lebenslauf habe, Praktika gemacht und Berufserfahrung habe. Meine Arbeitszeugnisse waren auch immer sehr gut und das Studium habe ich mit guten Noten abgeschlossen. Trotzdem werde ich noch nicht einmal zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Und das obwohl die Unternehmen auf ihren Karriereseiten groß damit werben dass sie Diversivität sehr zu schätzen wissen.

Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht? Soll ich die Schwerbehinderung im Anschreiben verschweigen? Die Schwerhörigkeit ist trotzdem offensichtlich, auch wenn ich mit Hörgerät ganz normal meinen Job machen kann und auch an Meetings etc. teilnehmen kann.

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 5. Sep 2015, 21:29
von Quotenkrüppel
Nein !!!

Die Schwerbehinderung wenn sie >50 % ist unbedingt angeben. Und auch, dass die Bewerbung nach § 82 behandelt werden soll /muss !

Dieser besagt, dass sofern nicht aufgrund der Stellenbescheibung schon klar ist, dass der Bewerber ungeeignet ist (z.B. ein Bäcker der sich als KfZ-Mechaniker bewirbt) der Schwerbehinderte eingeladen werden MUSS ! Ansonsten könntest du sogar dagegen klagen.
Dieser Paragraph wurde extra geschaffen um die Nachteile Schwerbehinderter auszugleichen und zu verhindern, dass Personaler die Bewerbung sofort aussortieren.

Ich gebe das an und habe zu jeder Bewerbung ein Vorstellungsgespräch erhalten :)

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 5. Sep 2015, 22:35
von EinOhrHase
@Encanter

hmm - Du hast also eine Vertragsverlängerung, die nicht veranlasst wurde quasi so hingenommen? Egal, was dein neuer Chef an deiner Behinderung auszustzen hat, muss er im Falle einer Kündigung (egal ob fristgerecht oder nicht!) triftige Gründe angeben, weshalb er dich nicht mehr weiterbeschäftigen will.
Sollte diese Kündigung noch nicht allzulange her sein, informier dich da genauer - wenn Du Glück hast, muss dein neuer Chef dich wieder einstellen (gegen seinen Willen quasi).
In dem dass Behinderte gleich welcher Art quasi jede Kündigung einfach so hinnehmen, machen sie es den Arbeitgebern um ein vielfaches leichter, wenn sich die Arbeitnehmer nicht zur Wehr setzen.
Inklusion, bevorzugte Einstellung von Schwerbehinderten ist lt. Gesetz alles recht und gut - nur fehlt es zum einen an Kenntnis darüber (als Schwerbehinderter) zum anderen sieht die Praxis in sehr vielen Branchen schlecht aus für Schwerbehinderte.

Es mag durchaus auch Arbeitgeber geben, die den schwerbehinderten Arbeitnehmern eine Chance bieten und sich auf diese einstellen - nur diese Ziffer ist schwindend gering, leider.

@Qutotenkrüppel
Du schreibst, du hast bislang immer eine Einladung zum Vorstellungsgespräch gefunden - soweit so gut. Bist Du noch suchend, oder hast Du schon einen festen Job?

Grüssle

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 09:26
von muggel
Hallo Oli,

du liegst leider mit deinen Annahmen falsch. Es gab keine offizielle Kündigung, sondern der Vertrag wurde nicht weiter verlängert.
Dagegen kann man nichts machen, es ist das Recht jeden Arbeitgebers und unabhängig, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht.

Wenn jedoch "normalerweise" eine Vertragsverlängerung angeboten wird (was heißt normalerweise? ist das nachweisbar, dass es tatsächlich so ist) und man nachweisen kann, dass man diese aufgrund der Schwerbehinderung nicht bekommt, dann kann man dagegen angehen. Dieses wird jedoch mehr als schwer werden.... denn diese Nachweise zu erbringen ist alles andere als einfach.

Ansonsten: ich habe meine Behinderung immer angegeben, allerdings nicht im Anschreiben, sondern auf einer so genannten "dritten Seite". Unter "Was sie noch über mich wissen sollten" habe ich dann die Behinderung erwähnt, erläutert, dass ich den Job vollumfänglich machen kann und -- falls möglich -- warum diese sogar eine Bereicherung für die Stelle auf die ich mich bewerbe darstellt (ich arbeite jetzt in einem Berufsfeld, welches sich u.a. mit Behinderungen befasst.. da war das dann sozusagen ein Vorteil, eine Behinderung zu haben...).

Nur so als Information: § 82 SGB IX (wichtig ist auch die Angabe, welches Gesetzbuch!) gilt nur für öffentliche Arbeitgeber, also für den öffentlichen Dienst (siehe auch http://dejure.org/gesetze/SGB_IX/82.html ).

Ich wünsche viel Erfolg bei den Bewerbungen!

Grüße,
Miriam

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 10:53
von Encantar
muggel hat geschrieben: Wenn jedoch "normalerweise" eine Vertragsverlängerung angeboten wird (was heißt normalerweise? ist das nachweisbar, dass es tatsächlich so ist) und man nachweisen kann, dass man diese aufgrund der Schwerbehinderung nicht bekommt, dann kann man dagegen angehen. Dieses wird jedoch mehr als schwer werden.... denn diese Nachweise zu erbringen ist alles andere als einfach.
Bei uns ist es so, dass jeder der einen 3-Jahresvertrag hat eigentlich immer eine Vertragsverlängerung bekommt. Wir sind ca. 50 Leute und in den drei Jahren habe ich keinen einzigen Fall erlebt, bei dem es nicht so war. Selbst bei Leute die deutlich schlechter performed haben als ich. Aber der Vertrag ist nun mal ausgelaufen und ich kann den AG schlecht zwingen mit den Vertrag zu verlängern. Der Chef meinte halt beim letzen Mitarbeitergespräch sinngemäß dass er nicht weiß wie er mit meiner Behinderung umgehen soll. Dabei ist zu sagen dass ich mit Hörgerät alles hören kann und auch sonst keine Probleme habe, wie in Meetings etc.

Jetzt ist die Sache dass ich mir die ganzen Absagen bei den Bewerbungen nur mit der Schwerbehinderung erklären kann. Angeblich werden Informatiker ja gesucht. Habe auch im Studium Praktika in DAX Konzern gemacht, 1 Jahr als HIWI an der Uni gearbeitet, gute Noten... Selbst bei popeligen 10 Mann Unternehmen habe ich Absagen bekommen, wo ich mir denke dass die eigentlich froh sein sollten wenn die überhaupt jemanden guten finden.

Wenn ich also die Schwerbehinderung nicht angebe und das erst im Vorstellungsgespräch erwähne ist das auch nicht so schlau, oder?

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 11:15
von Noir
Hallo Encantar,

man muss nicht die Schwerbehinderung angeben, auch nicht bei einem Vorstellungsgespräch, die Frage nach der Behinderung darf der Arbeitgeber nicht stellen und du hast das Recht ihm das zu verschweigen. Solltest du aber die Behinderung doch erwähnen und trotzdem wirst du ohne einen Vorstellungsgespräch abgelehnt, hast du das Recht ihn verklagen zu dürfen, weil man das als eine Diskriminierung angedeutet werden kann.

Lieben Gruß
Noir

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 11:25
von muggel
Hallo,

@Noir: das ist Quatsch. Man kann dagegen vorgehen, wenn man beweisen kann, dass man wegen der Schwerbehinderung nicht eingeladen wurde.
An sich bleibt es jedoch jedem Arbeitgeber überlassen, die Leute, die für ihn in Frage kommen, zu einem Gespräch einzuladen oder auch nicht.

Grüße,
Miriam

PS: @Encantar: bewirb dich doch einmal ohne die Erwähnung der Schwerbehinderung. Wenn dich dann jemand nimmt, kannst du ja bei Vertragsunterzeichnung die Schwerbehinderung erwähnen und die entsprechenden Unterlagen wie SBA etc einreichen.

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 16:28
von Coralie
Jeder hat seine Erfahrungen gemacht. Ich habe mich in den letzten Jahren nur beworben um mich weiter zu entwickeln mit einem festen Vertrag im Rücken, da geht das alles etwas spielerischer....ich habe beim Bewerbugsschreiben in der Regel nicht angegeben, dass ich eine Schwerbehinderung habe, habe meine Bewerbungsgespräche geführt und da es stets gut gelaufen ist immer am Ende gesagt, dass es mir wichtig ist, zu sagen, dass ich eine Schwerhörigkeit habe. In meinem Falle war das nie ein Problem.....ich denke es gehört zu mir dazu, entweder man akzepiert das oder halt nicht. Alledrings ist die Situation natürlich schwerer, wenn man arbeitslos ist....allerdings denke ich auch, dass ein Informatiker auf dem Markt gute Chancen haben müsste! Einmal habe ich im Öffentlichen Dienst meine Schwerbehinderung angegeben, als ich eingeladen wurde war direkt ein ganzer Tross von Menschen anwesend (SB-Vertreter, Gleichstetllunsgbeauftragte....) und ich habe auch diese Stelle bekommen (habe aber dann selber abgesagt, da ich parallel etwas attraktiveres bekommen hatte). Bleieb selbstbewußt, oftmals bedeutet ein Stellenwechsel auch eine gute Weiterentwicklungsmöglichkeit!

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 17:15
von maryanne
Ob man die Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben angibt, sollte man von Fall zu Fall entscheiden. Vor Jahren habe ich mich beim Bundesbehindertenbeauftragten beworben und die Behinderung erwähnt. Ich musste eingeladen werden und ich musste einem ganzen Tross von Leuten (Behindertenvertretung usw.) Rede und Antwort stehen: viele, leise redende, entfernt von mir sitzende Leute, die ich nur mit größter Anstrengung verstehen konnte (aber verstanden habe).
Eingestellt wurde dann eine wesentlich jüngere, nicht behinderte Bewerberin. Das Problem gerade bei Schwerhörigen ist, dass sie gerade wegen der unzureichenden Hörfähigkeit leicht als "nicht (gleichermaßen) geeignet" gelten.

Bei einer geringgradigen Schwerhörigkeit würde ich empfehlen, sie nicht im Anschreiben zu erwähnen.

maryanne

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 17:26
von franzi
Gar nicht zuerwähnen das man Schwerhörig ist ist denke ich auch der falsche weg. Das man sowas weg lässt beim Bewerbungsschreiben ok aber ich denke das es schon irgendwie wichtig ist es dann beim Vorstellungsgespräch zuerwähnen. Sollte später bei der Arbeit was aufgrund der Schwerhörigkeit komplett daneben gehen und der AG wusste nichts von der Schwerhörigkeit, macht es die Sache dann noch schlimmer.

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 20:29
von Franki
Hallo Encantar, es ist sicher blöd gelaufen wenn man das so liest bei Dir. Es stellen sich mir jedoch einige Fragen :

- Wie stark bist Du durch die Schwerhörigkeit im Alltag eingeschränkt ? Wie gibst Du die Schwerhörigkeit in Deiner Bewerbung an ?
- Wie ist die Bewerbung an sich aufgebaut ? Steckt vielleicht etwas drin, dass Du bisher überlesen hast aber das negativ ausgelegt wird ? Sind die Note / Arbeitszeugnisse in Ordnung und enthalten keine versteckten Informationen ?

Gerade im IT Bereich gibt es viele Spezialisten die top sind und sehe gute Zeugnisse haben. (Damit meine ich notenmässig 1 max 2)

Grundsätzlich : wenn Du das Handicap nicht angibst wird auch keine Vertrauensperson eingeladen zu dem Gespräch. Daher würde ich es immer angeben. Vielleicht findest Du zum Thema Diversity auch links zu den Vertrauenspersonen - da kannst Du dann auch in Kontakt treten. Wie Du schon sagst ist dieses Thema allgegenwärtig und zumindest bei den grossen Unternehmen fest verankert.

Ich kann Dir nur den Tip geben noch einmal genau die Bewerbung anzuschauen evtl neu aufzusetzen. Manchmal führt das zum Erfolg.Ich wünsch Dir ganz ganz viel Glück dass es bald mit einer Stelle klappt !!!

Viele Grüsse !

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 20:35
von Quotenkrüppel
Hallo Ein Ohr Hase

Ja ich bin Physikerin..im Moment beschäftigt an einer Technischen Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Die Stelle endet allerdings bald. Hier war jedoch von vorneherein klar, dass sie nicht verlängert wird (befristetes Projekt).

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 6. Sep 2015, 21:23
von Encantar
Franki hat geschrieben: Wie stark bist Du durch die Schwerhörigkeit im Alltag eingeschränkt ? Wie gibst Du die Schwerhörigkeit in Deiner Bewerbung an ?
Eigentlich bin ich gar nicht eingeschränkt. Habe nur Probleme in Umgebungen mit vielen Nebengeräuschen. Aber für einen Bürojob bin ich nicht eingeschränkt. Muss mal ab und zu nachfragen wenn jemand leise spricht oder Abkürzungen die ich nicht kenne undeutlich ausspricht. Aber sonst funktioniert die Kommunikation immer gut.
Franki hat geschrieben:- Wie ist die Bewerbung an sich aufgebaut ? Steckt vielleicht etwas drin, dass Du bisher überlesen hast aber das negativ ausgelegt wird? Sind die Note / Arbeitszeugnisse in Ordnung und enthalten keine versteckten Informationen ?
Bewerbungen sollten in Orndung sein, habe immer jemanden drüber schauen lassen, der Ahnung davon hat. Arbeitszeugnisse waren eigentlich auch immer gut.

Habe immer unter das Anschreiben einen Satz drunter geschrieben: "Ich habe eine Schwerbehinderung mit einem GdB von xy". Wenn man in den Bewerbungstools auswählen konnte ob man eine Schwerbehinderung geltend machen möchte, habe ich ansonsten immer JA ausgewählt und den Satz im Anschreiben weggelassen.

Re: Arbeiten und Schwerhörigkeit/Schwerbehinderung

Verfasst: 7. Sep 2015, 11:57
von maryanne
Hallo Encantar,

mit deiner Selbstdarstellung "eigentlich ...." fängt das Problem schon an. WEnn du nicht eingeschränkt wärst, hättest du KEINE Schwerbehinderteneigenschaft. Du räumst ein, dass es Schwierigkeiten bei Leise- oder Undeutlichsprechern gibt, dass die Nebengeräusche Probleme machen. Das sind Einschränkungen! Ich denke, das sollte dir klar sein, dann kannst du dich auch besser vertreten. Das Wort "eigentlich" geht gar nicht - weder im Anschreiben noch im Gespräch!
Unter das Anschreiben die SB reinzuschreiben, halte ich auch für ungünstig. Der erste und der letzte Satz eines Bewerbungsschreibens MÜSSEN so formuliert sein, dass der potentielle Arbeitgeber NEUGIERIG auf dich wird und du somit in den Topf "könnte passen" kommst. Vielleicht beherzigst du Frankis Rat (Frage!) und überarbeitest dein Anschreiben? Lass doch mal wen anders drüber gucken! Bist du beim Arbeitsamt als Arbeit suchend gemeldet und hast du dort auch deine Schwebi angegeben? Ich kenne viele Informatiker, die z.T. an Taubheit grenzend sh sind und einen guten, unbefristeten Job gefunden haben. Aber es ist auch generell so, dass man die Jobs nicht hinterher geworfen bekommt.
Maryanne