Er weiß noch nicht einmal, wie er heißt...(1)
Verfasst: 10. Aug 2010, 15:10
... diese erschütternde Feststellung machten wir am Abend nach der Diagnose "ihr Sohn ist hochgradig schwerhörig". Er war zu diesem Zeitpunkt 21 Monate alt.
Hallo zusammen!
Seit 2 Jahren lesen und schreiben wir hier gelegentlich mit; jetzt möchten wir uns endlich einmal vorstellen:
Wir sind eine Familie mit 2 Töchtern (9 und 11 Jahre alt, beide normalhörend) und einem fast 4 Jahre alten Sohn (Hörschwelle bei Diagnose beidseits ca. 80 dB über alle Frequenzen, seit Mai diesen Jahres links ertaubt).
Niemand sonst in unserer Familie ist schwerhörig.
Unser Sohn wurde im September 2006 nach einer unkomplizierten Schwangerschaft termingerecht ambulant entbunden. K. entwickelte sich in den ersten Lebensmonaten altersgerecht.
Er hatte allerdings Eigenarten, die wahrscheinlich auf seine Hörschädigung zurückzuführen waren: z.B. ließ er sich niemals mit Gesang oder Zuspruch ohne Körperkontakt beruhigen, lachte im Alter von 5 Monaten noch nicht stimmhaft, wurde beim Autofahren allein auf dem Rücksitz panisch ... (der Kinderarzt quittierte unsere Beobachtungen mit einem müden Lächeln). Es hieß ständig: "Jungen sind anders", "ihr seid verwöhnt mit euren Mädchen" usw..
Erste ernste Zweifel an seiner Hörfähigkeit stellten sich bei uns ein, als er im Alter von etwa 11 Monaten nicht auf Zuruf reagierte, keine Doppellaute bildete, Anweisungen ohne Gesten offenbar nicht "verstand"... . Dennoch erschien uns eine Hörschädigung abwegig, da er sich bei lauten Geräuschen (Hundegebell, Türenknallen..) stets erschreckte, in der Familie keine Hörschädigungen bekannt sind und K. noch nie eine Mittelohrentzündung, geschweige denn eine stärkere Erkältung gehabt hatte. Als er wieder einmal nicht lauschte, als seine Tante uns mit lauten Stöckelschuhe besuchte und sich dann "wunderte", dass sie hinter ihm stand, kontaktierten wir unseren ortsansässigen HNO-Arzt und fragten nach, ob es eine Möglichkeit gäbe, bei solch kleinen Kindern eine objektive Hörprüfung durchzuführen.
Es hieß, sobald eine Hörminderung durch eine Mittelohrentzündung oder Paukenerguss ausgeschlossen wäre, könne er eine sogenannte BERA durchführen. Bei dieser Untersuchung würden Gehirnströme in Abhängigkeit von akustischen Reizen gemessen und aufgezeichnet. K. müsste sich dabei ruhig verhalten und Kopfhörer tragen. Wir suchten am nächsten Tag den HNO-Arzt auf: K.s Trommelfelle waren unversehrt, der HNO-Arzt machte einen Lärmtrommeltest (Lautstärke am Ohr – wie wir inzwischen wissen - 80-85dB) bei dem K. eindeutig mit Kopfwende reagierte. Zu meiner Beruhigung ließ der Arzt von einer Arzthelferin die BERA durchführen. K. saß dabei ruhig auf meinem Schoß. Kurze Zeit später erklärte der HNO-Arzt, das Ergebnis der Untersuchung sei unauffällig, er habe Lautstärken bis 20dB getestet, alle akustischen Reize würden zum Gehirn weitergeleitet. Er schickte mich mit den Worten: "Lassen Sie dem Kind noch etwas Zeit, er ist doch noch so klein" nach Hause.
Nach anfänglicher Freude und Erleichterung folgten dann die frustrierendsten Monate unseres Elterndaseins. K. wurde immer mobiler und chaotischer. Seine Lieblingsbeschäftigung war das klangvolle Zerstören zerbrechlicher Dinge, lautes Hämmern, den Hund am Fell reißen, bis er aufjaulte u.v.m.. Unser Kind machte eigentlich einen recht pfiffigen Eindruck – warum wollte es bloß nicht hören?!
Inzwischen wissen wir, dass er offenbar viel beobachtete und kombinierte. Gab ich ihm zum Beispiel etwas für den Mülleimer, machte ich gleichzeitig eine wegwerfende Geste und sagte: „Bring das mal in den Müll.“ Er hatte also nur die Geste verstanden, nicht die Worte. Außerdem wiederholte und benutzte er mit Begeisterung Gesten und hatte eine ausgesprochen „intensive“ Mimik.
Es war einfach nicht nachvollziehbar, warum er uns fröhlich – ja geradezu herausfordernd - ansah, wenn wir richtig laut mit ihm schimpften, ihn anbrüllten, weil er wieder mal nicht hören wollte. Nachdem ich ihn wieder einmal kräftig angeschrien hatte, als er zum 5. Mal an diesem Tag die Küche mit dem Hundewassernapf flutete, imitierte er meinen erhobenen Zeigefinger und sagte „Aaaaaa“. Warum „Aaaaa“ ? Ich hatte schließlich „Neeeeiiiinnnn“ geschrien!
Wieso machte es ihm offenbar eine so große Freude, seinen Schwestern in den Haaren zu ziehen, bis diese laut schrien?
Irgendetwas stimmte nicht mit unserem Sohn. War er vielleicht autistisch, geistig behindert oder doch einfach nur ungehorsam? Die Situation wurde für die gesamte Familie unerträglich. Deshalb suchte ich 10 Monate nach der Diagnose „Ausschluss einer Hörminderung“ unseren Kinderarzt auf. Ich schilderte kurz, dass wir das Gefühl hätten, K. höre schlecht, der HNO-Arzt aber aufgrund einer BERA eine Hörminderung ausschloss. Nun fange K. immer noch nicht an zu sprechen und ignoriere auch, wenn wir ihn rufen, bzw. verstehe nicht oder wolle nicht verstehen, was wir ihm sagen. Die Frau des Arztes meinte nur lapidar, es sei nichts besonderes, wenn Kinder in K.s Alter noch nicht sprechen, und der Arzt – ohne auch nur einen Blick auf den Kleinen zu werfen - druckte mir eine Liste mit Adressen von Pädaudiologien in der näheren Umgebung aus.
Um es etwas abzukürzen: Eine sorgfältig und gewissenhaft durchgeführte BERA in Dortmund brachte das Ergebnis: Hörschwelle beidseits um 75 dB.
Es stellte sich weiterhin heraus, dass die 10 Monate zuvor von unserem HNO-Arzt ermittelten Kurven - sofern man sie als relevant zugrunde legen würde – komplett pathologisch waren.
Nicht eine einzige Welle entsprach der Norm - das versicherten uns mehrere HNO-Ärzte und ein Neurologe. Es war einfach unfassbar!
Offensichtlich war er weder in der Lage die Untersuchung korrekt durchzuführen, noch die Ergebnisse auszuwerten. Wieso war er nicht wenigstens so verantwortungsvoll gewesen, uns an eine Pädaudiologie zwecks Diagnoseabsicherung zu verweisen oder eine Kontrolle nach einem kurzen Zeitabstand vorzuschlagen? In der Zwischenzeit haben wir viele Eltern kennen gelernt, die leider ähnliche Erfahrungen machen mussten.
Da wir diesmal unbedingt eine zweite Meinung hören wollten, konsultierten wir Dr. B. in Gelsenkirchen, der 3 Wochen später eine weitere BERA in Narkose durchführte.
Bei dieser BERA lag K.s Hörschwelle etwa bei 80dB, ziemlich gleichmäßig über alle Frequenzen. Dr.B. stellte gleichzeitig ein extremes Recruitment fest und erklärte uns, dass K. hohe Schallpegel nahezu wie ein Normalhörender wahrnimmt. Unterhalb einer Lautstärke von 75-80dB ist es ihm jedoch nicht möglich, irgendetwas zu hören.
Hallo zusammen!
Seit 2 Jahren lesen und schreiben wir hier gelegentlich mit; jetzt möchten wir uns endlich einmal vorstellen:
Wir sind eine Familie mit 2 Töchtern (9 und 11 Jahre alt, beide normalhörend) und einem fast 4 Jahre alten Sohn (Hörschwelle bei Diagnose beidseits ca. 80 dB über alle Frequenzen, seit Mai diesen Jahres links ertaubt).
Niemand sonst in unserer Familie ist schwerhörig.
Unser Sohn wurde im September 2006 nach einer unkomplizierten Schwangerschaft termingerecht ambulant entbunden. K. entwickelte sich in den ersten Lebensmonaten altersgerecht.
Er hatte allerdings Eigenarten, die wahrscheinlich auf seine Hörschädigung zurückzuführen waren: z.B. ließ er sich niemals mit Gesang oder Zuspruch ohne Körperkontakt beruhigen, lachte im Alter von 5 Monaten noch nicht stimmhaft, wurde beim Autofahren allein auf dem Rücksitz panisch ... (der Kinderarzt quittierte unsere Beobachtungen mit einem müden Lächeln). Es hieß ständig: "Jungen sind anders", "ihr seid verwöhnt mit euren Mädchen" usw..
Erste ernste Zweifel an seiner Hörfähigkeit stellten sich bei uns ein, als er im Alter von etwa 11 Monaten nicht auf Zuruf reagierte, keine Doppellaute bildete, Anweisungen ohne Gesten offenbar nicht "verstand"... . Dennoch erschien uns eine Hörschädigung abwegig, da er sich bei lauten Geräuschen (Hundegebell, Türenknallen..) stets erschreckte, in der Familie keine Hörschädigungen bekannt sind und K. noch nie eine Mittelohrentzündung, geschweige denn eine stärkere Erkältung gehabt hatte. Als er wieder einmal nicht lauschte, als seine Tante uns mit lauten Stöckelschuhe besuchte und sich dann "wunderte", dass sie hinter ihm stand, kontaktierten wir unseren ortsansässigen HNO-Arzt und fragten nach, ob es eine Möglichkeit gäbe, bei solch kleinen Kindern eine objektive Hörprüfung durchzuführen.
Es hieß, sobald eine Hörminderung durch eine Mittelohrentzündung oder Paukenerguss ausgeschlossen wäre, könne er eine sogenannte BERA durchführen. Bei dieser Untersuchung würden Gehirnströme in Abhängigkeit von akustischen Reizen gemessen und aufgezeichnet. K. müsste sich dabei ruhig verhalten und Kopfhörer tragen. Wir suchten am nächsten Tag den HNO-Arzt auf: K.s Trommelfelle waren unversehrt, der HNO-Arzt machte einen Lärmtrommeltest (Lautstärke am Ohr – wie wir inzwischen wissen - 80-85dB) bei dem K. eindeutig mit Kopfwende reagierte. Zu meiner Beruhigung ließ der Arzt von einer Arzthelferin die BERA durchführen. K. saß dabei ruhig auf meinem Schoß. Kurze Zeit später erklärte der HNO-Arzt, das Ergebnis der Untersuchung sei unauffällig, er habe Lautstärken bis 20dB getestet, alle akustischen Reize würden zum Gehirn weitergeleitet. Er schickte mich mit den Worten: "Lassen Sie dem Kind noch etwas Zeit, er ist doch noch so klein" nach Hause.
Nach anfänglicher Freude und Erleichterung folgten dann die frustrierendsten Monate unseres Elterndaseins. K. wurde immer mobiler und chaotischer. Seine Lieblingsbeschäftigung war das klangvolle Zerstören zerbrechlicher Dinge, lautes Hämmern, den Hund am Fell reißen, bis er aufjaulte u.v.m.. Unser Kind machte eigentlich einen recht pfiffigen Eindruck – warum wollte es bloß nicht hören?!
Inzwischen wissen wir, dass er offenbar viel beobachtete und kombinierte. Gab ich ihm zum Beispiel etwas für den Mülleimer, machte ich gleichzeitig eine wegwerfende Geste und sagte: „Bring das mal in den Müll.“ Er hatte also nur die Geste verstanden, nicht die Worte. Außerdem wiederholte und benutzte er mit Begeisterung Gesten und hatte eine ausgesprochen „intensive“ Mimik.
Es war einfach nicht nachvollziehbar, warum er uns fröhlich – ja geradezu herausfordernd - ansah, wenn wir richtig laut mit ihm schimpften, ihn anbrüllten, weil er wieder mal nicht hören wollte. Nachdem ich ihn wieder einmal kräftig angeschrien hatte, als er zum 5. Mal an diesem Tag die Küche mit dem Hundewassernapf flutete, imitierte er meinen erhobenen Zeigefinger und sagte „Aaaaaa“. Warum „Aaaaa“ ? Ich hatte schließlich „Neeeeiiiinnnn“ geschrien!
Wieso machte es ihm offenbar eine so große Freude, seinen Schwestern in den Haaren zu ziehen, bis diese laut schrien?
Irgendetwas stimmte nicht mit unserem Sohn. War er vielleicht autistisch, geistig behindert oder doch einfach nur ungehorsam? Die Situation wurde für die gesamte Familie unerträglich. Deshalb suchte ich 10 Monate nach der Diagnose „Ausschluss einer Hörminderung“ unseren Kinderarzt auf. Ich schilderte kurz, dass wir das Gefühl hätten, K. höre schlecht, der HNO-Arzt aber aufgrund einer BERA eine Hörminderung ausschloss. Nun fange K. immer noch nicht an zu sprechen und ignoriere auch, wenn wir ihn rufen, bzw. verstehe nicht oder wolle nicht verstehen, was wir ihm sagen. Die Frau des Arztes meinte nur lapidar, es sei nichts besonderes, wenn Kinder in K.s Alter noch nicht sprechen, und der Arzt – ohne auch nur einen Blick auf den Kleinen zu werfen - druckte mir eine Liste mit Adressen von Pädaudiologien in der näheren Umgebung aus.
Um es etwas abzukürzen: Eine sorgfältig und gewissenhaft durchgeführte BERA in Dortmund brachte das Ergebnis: Hörschwelle beidseits um 75 dB.
Es stellte sich weiterhin heraus, dass die 10 Monate zuvor von unserem HNO-Arzt ermittelten Kurven - sofern man sie als relevant zugrunde legen würde – komplett pathologisch waren.
Nicht eine einzige Welle entsprach der Norm - das versicherten uns mehrere HNO-Ärzte und ein Neurologe. Es war einfach unfassbar!
Offensichtlich war er weder in der Lage die Untersuchung korrekt durchzuführen, noch die Ergebnisse auszuwerten. Wieso war er nicht wenigstens so verantwortungsvoll gewesen, uns an eine Pädaudiologie zwecks Diagnoseabsicherung zu verweisen oder eine Kontrolle nach einem kurzen Zeitabstand vorzuschlagen? In der Zwischenzeit haben wir viele Eltern kennen gelernt, die leider ähnliche Erfahrungen machen mussten.
Da wir diesmal unbedingt eine zweite Meinung hören wollten, konsultierten wir Dr. B. in Gelsenkirchen, der 3 Wochen später eine weitere BERA in Narkose durchführte.
Bei dieser BERA lag K.s Hörschwelle etwa bei 80dB, ziemlich gleichmäßig über alle Frequenzen. Dr.B. stellte gleichzeitig ein extremes Recruitment fest und erklärte uns, dass K. hohe Schallpegel nahezu wie ein Normalhörender wahrnimmt. Unterhalb einer Lautstärke von 75-80dB ist es ihm jedoch nicht möglich, irgendetwas zu hören.