Noch ein thread zum leidigen Thema
Da ich ja auch den Traum von den "beim Musikhören gut klingenden Hörgeräten" habe gebe ich auch mal meinen Senf aus meinem Verständnis und meinen bisherigen Erfahrungen dazu.
Beginnen wir doch mal mit der Frequenzdefinition von HiFi (Quelle Wikipedia)
"Das menschliche Ohr hört Töne etwa von 16 Hz bis 20 kHz, der Hörbereich ist jedoch individuell verschieden – ein Erwachsener hat eine durchschnittliche Bandbreite des Hörvermögens von etwa 20 Hz bis 16 kHz. DIN 45500 schrieb aber lediglich eine Übertragungsbereich von mindestens 40/50 Hz bis 12,5 kHz vor (die untere Grenze war abhängig vom Gerätetyp).
Auf Töne zwischen 2 kHz und 5 kHz reagiert der Mensch am empfindlichsten, sodass Tonhöhenunterschiede hier auch am besten wahrgenommen werden. So schrieb die DIN 45500 für die Magnettontechnik einen linearen Frequenzgang im Bereich von 250 Hz bis 6300 Hz für HiFi-Heimstudiogeräte vor, wobei eine Toleranz bis 5 dB erlaubt war. Für Studiogeräte galten nach der DIN 45511 strengere Regeln: Hier war in einem Frequenzbereich von 80 Hz bis 8000 Hz nur eine Toleranz von 3 dB erlaubt"
Das klingt ja erstmal nicht so unerreichbar für Hochtonhörgeschädigte, bei denen oft bei 10k oder auch schon bei 8k Schluss ist
Wobei die Grenze ja nicht scharf ist, schon vorher hört der Hörgeschädigte deutlich weniger sprich tiefe und hohe Frequenzen schlechter (leiser)
Wenn ich es richtig verstanden habe sorgt die Kompression bei Hörgeräten dafür, dass der Frequenzbereich von sagen wir mal 20Hz bis 12kHz in den Bereich von vielleicht 200Hz bis 8kHz verschoben und komprimiert wird.
Dadurch wird dem Hörgeschädigten das gesamte Frequenzspektrum zugänglich gemacht und er hört wieder Töne, die er vorher nicht hören konnte (20Hz bis 200Hz und 8kHz bis 12kHz)
Allerdings halt nicht in den originalen Frequenzen sondern etwas versetzt.
Meiner Erfahrung nach funktioniert das sehr gut, mit meinen Hörgeräten höre ich nun Details in Musik, die mir vorher nicht zugänglich waren.
Dass es nicht die originalen Frequenzen sind stört mich dabei nicht, ich habe ja keinen Vergleich zum "originalen" Klang
Mein Hörschaden besteht seit etwa 40 Jahren und ich habe damals schnell festgestellt, dass ich mit Kopfhörern deutlich mehr Details hören kann als über Lautsprecher. Deshalb habe ich über die Jahre einiges an Erfahrungen mit diversen Kopfhörern - OverEar und InEar - sowie auch diversen Kopfhörerverstärkern gesammelt.
Ein ganz großes Ahaerlebnis waren vor ca. 10 Jahren maßgefertigte InEar Monitore mit 3 Treibern pro Seite und entsprechenden Frequenzweichen, also pro Seite ein Tief, Mittel und Hochtöner.
Allerdings sind heutige Airpod Pro 2 diesen nochmals überlegen und klingen deutlich besser, obwohl sie nur einen Treiber haben.
Deshalb denke ich nicht, dass man für eine qualitativ hochwertige Musikwiedergabe für Hörgeschädigte Hörgeräte mit mehreren Treibern benötigt, wie das ja oft gefordert wird.
Der Hörgeschädigten zugängliche Frequenzbereich lässt sich heutzutage auch mit einem Treiber klanglich sehr gut abdecken.
Zu den Mikrofonen in Hörgeräten kann ich nichts sagen, aber ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass diese Frequenzen von 20Hz bis 12kHz erfassen können, vielleicht können die Profis dazu ja was sagen?
Mit solchen Mikrofonen, hochwertigen Treibern und einer cleveren Software zur Kompression sollte einem hochwertigen Musikgenuss eigentlich nichts im Weg stehen und ich bin auch der Meinung, das meine Hörgeräte das sehr gut können.
Das entscheidende Kriterium ist aber sicherlich, dass Hörgeräte nicht primär für einen hochwertigen Musikgenuss konzipiert werden, sondern dass der Fokus zu fast 100% auf guter Sprachverständlichkeit liegt, weil dies natürlich das primäre Anliegen der Hörgeschädigten ist und auch die Hörtests auf Sprachverständlichkeit ausgelegt sind.
Auch wenn die Technik sowohl Musikgenuss als auch Sprechverständlichkeit mit verschiedenen Hörprogrammen realisieren könnten vermute ich, dass das Musikthema bei vielen Herstellern (immer noch) recht stiefmütterlich behandelt wird und es deshalb hier Defizite gibt.
Für mich sind das die Antworten für die Frage im Threadtitel, die Technik wäre eigentlich vorhanden, aber mangels Nachfrage legt man darauf keinen besonderen Augenmerk.
Ich gehe aber davon aus, dass diesbezüglich gerade ein Umdenken stattfindet, die Hörgeräteträger werden immer jünger und somit steigt auch der Anspruch an die Musikwiedergabe, dem sich die Hersteller kaum noch verschliessen können, wenn sie keine Marktanteile bei der neuen Zielgruppe verlieren wollen.
Da ich gerade heute einige Tests zum Thema Musikhören mit diversen Kopfhörern und meinen Hörgeräten gemacht habe möchte ich aber eine Sache ansprechen, die ich absolut nicht verstehe:
Wenn ich meine den Gehörgang komplett abdichtenden Hörgeräte in den Ohren habe und Musik über Kopfhörer höre klingt das richtig gut.
Streame ich nun die selbe Musik direkt zu den Hörgeräten klingt es total mies.
Warum klingt die Musik, welche von den Mikrofonen der
HG aufgenommen und über die Lausprecher der HG wiedergegeben wird besser als das direkte Streaming zu den HG unter Umgehung der Mikrofone, die doch eher eine Verschlechterung bewirken sollten?
Ist das eine Eigenart meiner Hörgeräte oder ist das generell so?
Grüße Jochen