Moin Drummer,
prinzipiell bin ich ganz bei dir.
aber es kommt ggf. ja auch auf den tatsächlichen Hörverlust und das Lebensalter an.
bei mir z.B.: 70 Jahre und Hörschwelle in den Tiefen unter 1 kHz und Höhen über 4 kHz ansteigend von 40 auf 60 dB, dazwischen um die 20 bis 30 dB.
das ist eigentlich absolut altersgemäß.
nur: meine Altersgenossen verstehen besser und hören mehr.

was soll dabei nicht ausgleichbar sein?
Freundliche Grüße
Johannes B.
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Lieber Johannes,
nicht alle deine Altersgenossen sind schwerhörig, vor allem nicht schon seit 20 Jahren.
Diese Zeit der Hörschädigung hat auch was mit dem Gehirn gemacht.
Ich versuche aufgrund der Lesbarkeit mal auf Fachvokabular zu verzichten.
Erworbene Schwerhörigkeit hat Auswirkungen auf das Gehirn, es baut ab und um.
Je länger eine Schwerhörigkeit unversorgt bleibt, umso mehr.
Das wiederum hat Auswirkungen auf die zu leistende Mehrarbeit im Gehirn, vor allem
in den Bereichen, Konzentration und Gedächtnis. Dass auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit
nachlässt im Alter ist eine zusätzlich erschwerende Komponente.
Je nach Ausmaß kognitiver Reserven und weiterer Faktoren,gelingt es dem einen besser damit klar zu kommen als dem anderen.
Das Fehlen kognitiver Reserven kann auch einen Einfluß haben auf die Entstehung von Depressionen.
Durch die defizitäre emotionale Regulation, kann es zu nicht mehr ausreichend kontrollierbaren negativen Emotionen kommen.
Diese verstärken wieder das Konzentrationsvermögen.
Insgesamt fordert schlechtes Hören einen Bereich unseres Gehirns besonders in vielerlei Hinsicht. es handelt sich um das Frontalhirn.
Konzentration und Arbeitsgedächtnis werden dort gesteuert.
Hören/Verstehen erfordert eine besondere Konzentrationsleistung, denn es muss in Echtzeit verarbeitet werden und fordert daher das Arbeitsgedächtnis besonders. Da wir oft über Assoziationen an den Inhalt kommen mit Hörschädigung, folgt das Verstehen oft dem Hören zeitversetzt. Bei reduzierter Verarbeitungsgeschwindigkeit noch stärker. Daher hinkt man in Gesprächen oft etwas hinterher. Je detaillierter man etwas verstehen will, umso mehr wird man in Gefahr laufen den roten Faden zu verlieren. Eine Rolle spielt auch, ob man sich im Gespräch zu 100% auf das Gegenüber einstellt, oder parallel dazu schon versucht eigene Beiträge und Argumente zu formulieren. Auch "automatische" Worterkennung erfolgt nicht automatisch, sondern ist an Konzentrationsleistung gebunden.
Jemand der also in Gesprächen in der Lage ist Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden (Inhalt vor Detail), sich auf das Gegenüber konzentriert anstatt auf sich selbst, schont damit auch die benötigten Ressourcen und scheint besser zu verstehen, setzt aber vielleicht nur andere Prioritäten wofür er sein Gehirn nutzt.
In Situationen mit mehreren Sprechern und Hintergrundsgeräuschen wird es noch problematischer, hier habe ich oft nur die Wahl,mich primär auf eine Person zu fokussieren, und den Rest dazu zu assoziieren. Wenn ich versuche alle zu verstehen, verstehe ich letztendlich garnichts mehr. Das machen auch Guthörende oftmals schon, nur empfinden sie das halt nicht als etwas "verpassen". Weniger ist oft mehr.
Letztendlich glaube ich nicht, dass du so gravierend viel schlechter verstehst als Gleichaltrige Johannes, du gehst aus meiner Sicht nur anders damit um. Vielleicht wie ein Sportler, der damit hadert, dass er mit 70 zwar noch Marothon laufen kann, aber dass es ihm schwerer fällt und er nicht mehr unter den Ersten ist. Das damit Hadern kann die Lebensqualität denke ich noch mehr beeinträchtigen, als der eigentliche Funktionsverlust.
Gruß Katja
Langjährige CI-Trägerin (AB) Das Leben und dazu eine Katze, das gibt eine unglaubliche Summe.
(Rainer Maria Rilke)