Delchen hat geschrieben:ich danke Dir für Deine Einwurf, Deine Meinung, die ich mit mir trage. Ich habe ebenfalls 2 HGs, die mich aber durch meinen chonischen Tinnitus - seit bald 18 Jahren manches gelehrt haben und mich von der anfänglichen - allgemeinen Technikgläubigkeit weggebracht haben.
Hilfsmittel sind gut und sinnvoll, wenn sie aber nicht mehr Raum einnehmen wie der Betroffene selber, noch immer sollte der Mensch als Mensch im Vordergrund stehen und auch, dass dieser mit ALLEM, seinen Einschränkungen und Talenten angenommen wird.
Auch in Bezug auf Hörgeräte ist die Technik sehr begrenzt und kann auch nicht annähernd die Leistungsfähigkeit eines gesunden Gehörs wieder herstellen.Dorena hat geschrieben:Kurzer Einwurf:genau das ist der Punkt,die Technikgläubigkeit,daher kommt es doch auch,dass die ärzte schon die Eltern hörgeschädigter Babys vom CI überzeugen wollen,statt das auf den Zeitpunkt zu verschieben,wenn das Kind mitreden kann und erstmal mit DGS anzufangen.........ich würde auch nicht auf Biegen und Brechen meinem kind unbedingt zum CI verhelfen wollen,wenn es auch ohne OP geht. wie ich klein war,musste es ohne diesen "schnickschnack" gehen und deswegen sind meine Kameraden nicht alle nur unglückliche Trauerklösse geworden. Also MUSS nicht jedes Kind CI bekommen.
Allerdings weiss ich auch,der Druck der Umwelt,vor allem im Beruf,perfekt funktionieren zu sollen,ist viel grösser als noch vor 35Jahren,als ich anfing.
Ich fände es gut, wenn man akzeptieren könnte, dass einem pathologischen Gehör Grenzen gesetzt sind, die man respektieren sollte. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die aktuelle Leistungsfähigkeit, sondern auch auf die langfristige, nachhaltige Erhaltung der noch vorhandenen Möglichkeiten.
Die Strategie einer Hörgeräteversorgung zielt fast ausschliesslich auf die Erzielung des kurzfristigen maximal möglichen Vorteils ab; eine so genannte gierige Strategie. Dass hiedurch das Innenohr Schaden nehmen kann, so dass immer höhere Verstärkung benötigt wird, welche wiederum eine noch höhere Gefährung des Gehörs bedeuten kann, ist hierbei nur von untergeordnetem Interesse, da, wie gesagt, der Blick statisch fast ausschliesslich auf die augenblickliche Situation gerichtet wird und die Philosophie vertreten wird, dass man so viel verstärkt, wie für einen maximalen Ausgleich des Hörverlusts aktuell gerade notwendig ist - so lange, bis die stärksten Hörgeräte nicht mehr viel ausrichten können. Und dann muss man halt auf CI umsteigen.
Die Vorgehensweise in Bezug auf die geschilderten Punkte wird nahezu auf alle Kunden angewendet. Individuelle Lösungen sind kaum ausfindig zu machen. Hierzu müsste erst ein Mal das Bewusstsein sowohl bei den Verantwortlichen als auch bei den Betroffenen vorhanden sein, wie auch der Wille, hier etwas zu ändern.
Ausserdem geht man offenbar davon aus, dass die medizinische Versorgung (und auch die Gewährleistung deren Finanzierung für jeden Einzelnen) immer weiter zunehmen oder zumindest in etwa gleich bleiben wird. Was aber ist, wenn aus irgend einem Grunde Hörgeräte (und auch Implantate etc.) nur noch für Leute möglich sind, welche über grosse finanzielle Mittel verfügen, oder die medizinische Versorgung gar ganz zusammenbricht (c)?
Was ist mit den Tinnitusbetroffenen, deren Ohrgeräusche nachts nicht mittels Hörhilfen maskiert werden können (d)?
Dies sind nur zwei Beispiele; viele weitere Aspekte sind denkbar und wurdenzum Teil schon genannt.
In beiden genannten Fällen ((c) und (d)) würde man das Entscheidungsfeld ausweiten und dadurch bedingt auch versuchen, den erweiterten hierfür notwendigen Informationsbedarf zu decken und sich vielleicht für eine andere Lösungsmöglichkeit seiner Hörproblematik entscheiden (die mehr auf die Erhaltung des noch vorhandenen Gehörs abzielt, wie auch immer man hier das Potential und den Zusammenhang zu einer Hörgeräteversorgung einstuft).
Doch leider besteht gar kein Interesse auf Seiten der Verantwortlichen, die hierfür notwendige Informationsgrundlage zu schaffen. So muss man sich auf das abstützen, was aus den allgemeinen Erkenntnissen über das Gehör abgeleitet werden kann, wobei auch die so gewonnenen Informationen bereits sehr aussagekräftig sind.
In Bezug auf (a) ist eigentlich schon länger (seit den Arbeiten von Dieroff) bekannt, welche Schallimissionen ein Gehör verträgt, ohne dass die Gefahr einer Schädigung besteht. Dieroff hat über Jahre und Jahrzehnte tausende von Ohren untersucht und hieraus die Zusammenhänge zwischen Schallbelastung und Gehörschädigung abgeleitet.
Basierend auf diesen umfassenden Arbeiten wurden Lärmgrenzwerte eingeführt, deren Einhaltung gesetzlich vorsgeschrieben sind (e) und die garantieren sollen, dass eine Schädigung des Gehörs ausgeschlossen werden kann.
Dieser Wert hielt sich lange Zeit bei 85 dB (A), die während acht Stunden pro Tag nicht überschritten werden dürfen, wobei dies natürlich ein Mittelungspegel ist, welcher durch ein bestimmtes Berechnungsverfahren eruiert wird.
Da inzwischen durch weiter führende Innenohrforschung die Erkenntnisse ergänzt und weiter differenziert werden konnten, hat man mittlerweile die Werte der als unbedenklich geltenden Belastungen weiter nach unten korrigiert.
So weise ich denn darauf hin, dass Ernst und Zenner bereits 1992 zeigen konnten, dass es deutliche interindividuelle Unterschiede in der Reaktion des Hörvermögens auf Lärm gibt. Bei manchen Menschen entsteht schon bei einer Lärmexposition unterhalb einer schädigenden Grenzlinie (Grenzpegeldiagramme nach Pfander) eine vorübergehende oder dauerhafte Schädigung des Gehörs (Pfander 1975, Dieroff und Bartsch 1986, Bartsch et al. 1989, Dieroff 1994). Man bezeichnet diese Prädisposition bei etwa 5 - 10 % der Normalbevölkerung als sogenanntes "vulnerables Innenohr" (Pfander 1975, Ernst und Lenarz 1997). Im Gegensatz zu Normalpersonen kommt es bei dieser Personengruppe nach Beschallung zu einem Schwellenschwund der Hörschwelle (TTS), der bei wiederholter Beschallung schneller als sonst üblich zu einem irreversiblen Hörverlust (PTS) führt (Pfander 1975, Melnick 1991).
Des Weiteren weise ich darauf hin, dass durch Extrapolation aus arbeitsmedizinischen Daten und bei Berücksichtigung von Sicherheitszuschlägen bereits vor längerer Zeit von der amerikanischen Environmental Protection Agency sogar ein Wert von Lm = 70 dB(A) für einen gehörunschädlichen 24h-Mittelungspegel formuliert wurde (Siervogel & Roche, 1982), der eindeutig als Schwellenwert bezeichnet werden kann (b) (etwas salopp ausgedrückt: Wenn die Belastung durch den Arbeitsweg an der Grenze liegt, die durch den Arbeitsplatz ebenfalls, dann noch die Lärmbelastung in der Freizeit hinzu kommt und das alles durch das Tragen von Hörgeräten noch verschärft wird, ist man eben schon "vierfach über" der kritischen Belastung, wobei viele Hörgeräte einen wesentlichen Anteil zur Erhöhung des Gefahrenpotentials beitragen dürften).
Bei ausgeprägten tonalen Komponenten (in diese Kategorie fallen z.B. die von Hörgeräten abgegebenen, durch Rückkoppelungen bedingte Pfeifgeräusche, aber auch generell die aus der Verwendung von Frequenzkanälen resultierenden schmalbandig abgegebenen Frequenzspektren) liegt die Schädigungsgrenze etwa 6 dB tiefer im Vergleich zu breitbandigen akustischen Ereignissen.
Auch bergen impulshaltige Schallereignisse ein erhöhtes Schädigungspotential in sich, welches besonders gewichtet werden musss. Und hier wird die Situation besonders durch Hörgeräte dadurch zusätzlich verschärft, dass die Elektronik zu langsam ist, um einen eh schon gefährlichen Knall genügend schnell herunter zu regeln, sondern diesen im Gegenteil noch verstärkt!
Hörgeräte könnte man also als für das Innenohr unbedenklich einstufen, wenn gewährleistet werden könnte, dass der unter (b) erwähnte, von der amerikanischen Environmental Protection Agency vorgeschlagene Wert von Lm = 70 dB(A) (für einen gehörunschädlichen 24h-Mittelungspegel) trotz Tragen von Hörgeräten eingehalten wird, wobei hier die Gruppe mit den besonders lärmschädigansanfälligen Ohren noch nicht ein Mal berücksichtigt sind, und gerade solche Leute dürften bei den für eine Högeräteversorgung in Frage Kommenden besonders häufig anzutreffen sein.